Kommentar Afghanistan: Kundus - und immer neue Fragen

Nach und nach kommen die Details über den Luftanschlag auf zwei entführte Tanklaster ans Licht. Verteidigungsministerium und Bundeswehr müssen endlich Transparenz schaffen.

Langsam, aber nur sehr langsam, erfahren wir, was in der Nacht vom 3. September in Kundus passiert ist. So hat sich Oberst Klein, bevor er das Bombardement von zwei entführten Tanklastern befahl, mit mehreren Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr-Eliteeinheit KSK beraten. Der Bombenbefehl, der auch Dutzende von zivilen Opfern forderte, war also keine einsame und kurzfristige Entscheidung eines überforderten Kommandeurs. Vielmehr haben Einsatz-Experten stundenlang die Lage diskutiert.

Da steht natürlich die Frage im Raum, mit wem sich Oberst Klein in dieser Nacht noch besprochen hat. Hat er sich wirklich nur mit nachgeordneten KSK-Soldaten beraten oder hat er sich nicht auch bei seinen Vorgesetzten in der Bundeswehr und im Ministerium abgesichert - bevor er die bisher folgenschwerste deutsche Militäraktion nach dem Zweiten Weltkrieg befahl?

Falls Klein auch ranghohe Mitwisser hatte, dann wäre endlich auch klar, warum die Bundeswehr schon seit Wochen Transparenz nur verspricht und die Öffentlichkeit stattdessen in die Irre führt. Dies würde auch erklären, warum die Bundeswehr noch immer kein Disziplinarverfahren gegen Klein eingeleitet hat, obwohl dieser doch in dieser Nacht gezielt den Isaf-Kommandeur McChrystal umgangen hat. Und nach wie vor fragen wir uns, was eigentlich das Ziel des Bombardements war. Die Bundeswehr behauptet immer noch, man habe die beiden (auf einer Sandbank feststeckenden!) Tanklaster unschädlich machen wollen, damit diese nicht für Anschläge verwendet werden können. Doch warum hat man dann die Menschenmenge vor dem Bombenabwurf der Nato-Jets nicht gewarnt? So hätte man viele unschuldige Menschenleben retten können. Die Vermutung liegt sehr nahe, dass man doch vor allem Taliban-Kämpfer und -Anführer töten wollte und dabei wissentlich den Tod von Dutzenden Zivilisten in Kauf genommen hat.

Unter Umständen könnte selbst das zulässig sein, denn es wäre zumindest ein gewichtiger militärischer Grund gewesen. Warum aber steht die Bundeswehr nicht dazu? Weil sie ihre möglichen Lügen aus der Vorwahlkampfzeit nicht korrigieren will? Oder war der militärische Nutzen am Ende doch eher gering? Die Bundeswehr und Minister zu Guttenberg müssen diese Fragen endlich beantworten.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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