Kommentar Aschewolke: Lob dem Kapitalismus

Die Börse ist zwar längst nicht immer rational, aber mit ihrer guten Stimmung hat sie diesmal Recht. Die Aschewolke wird die Erträge der deutschen Unternehmen nicht mindern.

Was der Sozialismus nicht geschafft hat - sollte es etwa einer isländischen Aschewolke gelingen? Den internationalen Kapitalismus zu vernichten? Zwischenzeitlich klangen die Warnungen höchst bedenklich. Von großen Exportausfällen und Lieferengpässen war die Rede, weil der europäische Flugverkehr stockte.

Alles Unsinn natürlich. Niemand verbreitete so viel Zuversicht wie ausgerechnet die Erzkapitalisten selbst. Während die Aschewolke über Europa trieb, lag der DAX meist deutlich über 6.200 Punkte.

Die Börse ist zwar längst nicht immer rational, aber diesmal hat sie Recht. Die Aschewolke wird die Erträge der deutschen Unternehmen nicht mindern. Was heute nicht ausgeliefert wurde, wird eben morgen zugestellt. Platz in den Flugzeugen, wenn sie denn fliegen, gibt es genug. Schließlich hat die weltweite Wirtschaftskrise überall dazu geführt, dass die Lager voll und die Kapazitäten nicht ausgelastet sind. Ein kleiner Rückstau kann da nicht schaden. Zu besichtigen sind also die sagenumwobenen Selbstheilungskräfte des Kapitalismus: Selbst eine Rezession kann ihr Gutes haben, schafft sie doch zumindest die Flexibilität, einem chaotischen System namens Aschewolke zu begegnen.

Der Kapitalismus hat schon ganz andere Schocks überwunden - zum Beispiel seinen eigenen Sieg über den Sozialismus. Niemand war darauf vorbereitet, dass nach dem Mauerfall plötzlich der gesamte Ostblock Hifi-Geräte kaufen wollte. Und trotzdem gingen die Musikanlagen nicht aus. Es war ein logistisches Wunderwerk, das sich völlig lautlos vollzog.

Instinktiv wissen die Bewohner des Kapitalismus um die Leistungsfähigkeit ihres Systems. Deswegen wird die Aschewolke auch bald vergessen sein. Aber aufregend war sie.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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