Debatte Außenpolitik USA: Mit Gewalt rückwärts

Condoleezza Rice prophezeite, Obamas Außenpolitik werde kaum von jener Bushs in den letzten Jahren abweichen. Wie recht sie hat.

Der Honeymoon zwischen Barack Obama und den rosaroten Regierungen Lateinamerikas ist noch schneller zu Ende gegangen als erwartet. Im April hatte Obama seinen KollegInnen noch Beziehungen auf Augenhöhe versprochen. Mit dem nun beschlossenen Abkommen über den Zugang von US-Militär zu sieben Basen in Kolumbien hat er nicht nur erklärte Sozialisten wie den Venezolaner Hugo Chávez oder Evo Morales aus Bolivien vor den Kopf gestoßen, sondern selbst jene gemäßigten Linken, die er eigentlich als Bündnispartner gewinnen wollte - vor allem Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva.

Auf den jüngsten Treffen der Union südamerikanischer Nationen (Unasur) haben fast alle Staatschefs ihr Unbehagen über die US-kolumbianische Zusammenarbeit artikuliert. Kolumbien ist das einzige Land der Region, in dem Krieg herrscht. Verantwortlich ist dafür zu einem Großteil jene fatale, von den USA durchgesetzte Drogenpolitik, die Obama nun fortführt - ohne den blühenden Kokainhandel gäbe es schon längst keine Guerilla mehr.

Es war der Demokrat Clinton, der im Jahr 2000 den angeblichen Anti-Drogen-"Plan Colombia" auflegte. Neun Jahre und mindestens 5,5 Milliarden Dollar Militärhilfe weiter ist weder das Geschäft mit dem Kokain nennenswert zurückgegangen noch die Farc-Guerilla besiegt. Das ist kein Zufall: Der Drogenhandel wie auch das Fortbestehen des "Terrorismus" sind für die weitere Legitimation der US-Militärpolitik in Lateinamerika unverzichtbar. Auch Kolumbiens rechter Präsident Álvaro Uribe verdankt seine Popularität vor allem dem Krieg gegen die Farc - kein Wunder, dass er kein Interesse an Friedensgesprächen hat.

In Wirklichkeit verfolgen die USA mit dem Ausbau ihrer militärischen Präsenz ganz andere Ziele. Schon heute beziehen sie ein Viertel ihres Erdöls aus der Andenregion. Doch die Konkurrenz wächst: Südamerika diversifiziert seine Handelsbeziehungen, China ist zum zweitgrößten Partner aufgestiegen. Daher wird es für Washington wichtiger denn je, sich den Zugriff auf die Ressourcen des Subkontinents auch künftig wieder mit Gewalt sichern zu können. Es geht um Energie, Süßwasserreserven, mineralische Bodenschätze, Biodiversität und Nahrungsmittel.

In Brasilien gibt man sich diesbezüglich keinerlei Illusionen hin. Präsident Lula sieht die noch unter George W. Bush erfolgte Reaktivierung der Vierten Flotte der US-Marine im Zusammenhang mit den jüngst entdeckten Ölvorkommen vor der brasilianischen Küste. Hohe Beamte des brasilianischen Außenministeriums weisen schon lange auf die mögliche Bedrohung Amazoniens durch die Ausweitung des Plan Colombia hin.

Obama vollzieht sie jetzt: Vom zentralkolumbianischen Luftwaffenstützpunkt Palanquero aus werden US-Militärtransporter vom Typ C-17 praktisch das gesamte Amazonasgebiet sowie Peru und Bolivien abdecken können. Nach einem Auftanken etwa in Südperu wäre der restliche Kontinent zu erreichen.

Ein Nebeneffekt ist die Ankurbelung der Rüstungsspirale in der Region. Es wird aufgerüstet wie zu Hochzeiten des Kalten Krieges. Je mehr Geld die Regierungen Lateinamerikas in das Militär stecken, desto weniger bleibt ihnen für den sozialen Umbau ihrer Gesellschaften. Auch die Integrationsbemühungen der linken Regierungen werden durch die Militarisierung der Region konterkariert.

Schon jetzt ist Kolumbien zu einem erheblichen Störfaktor für seine Nachbarn Venezuela und Ecuador geworden. Zudem macht sich Obama nun für genau jenes Freihandelsabkommen mit Kolumbien stark, das er als Senator noch abgelehnt hatte - mit Hinweis auf die katastrophale Menschenrechtssituation in dem Bürgerkriegsland.

Auch anderswo knüpft er nahtlos an die Politik seiner Vorgänger an: Mexiko, wo die Narcomafia - ähnlich wie zuvor in Kolumbien und als Folge der verfehlten US-Drogenpolitik - den Staat unterwandert, ist nun vor Kolumbien Hauptempfänger der US-Militärhilfe in der Region. Dritter wichtiger Verbündeter der USA ist Perus neoliberaler Staatschef Alan García. Als dessen Regierung im Juni im Amazonasgebiet ein Blutbad unter Ureinwohnern anrichten ließ, kam kein böses Wort aus Washington.

Anders verfährt Obama mit dem links regierten Bolivien: Ende Juni hielt er den Beschluss von Bush jr. aufrecht, dem Land wegen Differenzen in der Drogenpolitik Handelserleichterungen zu entziehen. Auch das Handelsembargo gegen Kuba erhält er aufrecht.

Der Staatsstreich in Honduras schließlich wäre ohne das Zutun Washingtons kaum möglich gewesen. In den letzten zwei Monaten haben Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton wenig getan, um ihrer verbalen Verurteilung der Putschisten auch Taten folgen zu lassen. So froren sie zwar die Militärhilfe in Höhe von 16,5 Millionen Dollar ein, nicht jedoch die elfmal so hohe Wirtschaftshilfe für das laufende Haushaltsjahr. Einigen Putschisten verweigerten sie die Einreise, doch zur andauernden Repression gegen DemonstrantInnen oder zur Pressezensur schweigen sie.

Stattdessen wandte sich Obama gegen jene "Kritiker, die sagen, dass die USA nicht genug in Honduras interveniert hätten". Das sei heuchlerisch, meinte er in klarer Anspielung auf Chávez und Morales: "Das sind dieselben, die sonst immer sagen, dass wir immer intervenieren und dass die Yankees Lateinamerika verlassen sollten." Ein schwaches Argument - ähnlich wie die Putschisten scheint Washington froh über die Entmachtung des sozialliberalen Präsidenten Manuel Zelaya zu sein.

Condoleezza Rice wie Noam Chomsky haben vorausgesagt, dass sich Obamas Außenpolitik kaum von jener der zweiten Amtsperiode von Bush jr. unterscheiden werde - zu Recht. Die strategische Ausrichtung der US-Außenpolitik ist eben weitgehend unabhängig von der politischen Ausrichtung oder gar der Persönlichkeit des Präsidenten.

Für Lateinamerika bedeutet dies: Ein neuer Kalter Krieg rückt näher. Das scheint der Preis für die Emanzipationsbestrebungen des einstigen "Hinterhofs" zu sein.

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