Kommentar Steinbach: Mut zur Lücke

Erika Steinbachs baldiger Rückzug aus dem CDU-Vorstand wird eine kleinere Lücke hinterlassen, als viele heute erwarten.

Angela Merkel schätzt vage Formulierungen. Am Wochenende sagte die Kanzlerin in einem Interview: "Konservativ heißt, zu bewahren, was uns stark gemacht hat, und zu verändern, was sich heute nicht mehr bewährt." Ihre Worte passen auch auf den Bund der Vertriebenen und seine Präsidentin: Die politische Vertretung von Millionen Vertriebenen hat CDU und CSU einst stark gemacht.

Heute lohnt es sich für die Union jedoch nicht mehr, die irrlichternden Äußerungen Erika Steinbachs zu verteidigen. Ihr baldiger Rückzug aus dem CDU-Vorstand wird eine kleinere Lücke hinterlassen, als viele heute erwarten.

Die Generation jener Menschen, die am Ende des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat gen Westen flohen, stirbt aus. Ihre Integration war eine kaum zu überschätzende Leistung der frühen Bundesrepublik. Der Einfluss ihrer selbst erklärten Vertretung, des Vertriebenenbundes, schwindet.

Weniges illustriert dies besser als der Umstand, dass selbst der Vertriebenenexperte der CSU urteilt, Steinbachs abfällige Äußerungen über den polnischen Deutschlandbeauftragten seien "denkbar unglücklich". Nun muss Steinbach sogar öffentlich einlenken und Wladyslaw Bartoszewski - mit deutlich beleidigtem Unterton - zum Gespräch einladen.

Ihre Behauptung, die Union biete Konservativen zu wenig Geborgenheit, ist falsch. Denn es hat nichts mit der Bewahrung von als gut erachteten Traditionen zu tun, wenn Steinbach mit vorwurfsvollem Zungenschlag darauf verweist, Polen habe ja bereits im Frühjahr 1939 mobilgemacht. Es ist schlicht revanchistisch. Wenn Merkels Definition des Konservativen zutrifft, dann ist die Vertriebenenpräsidentin gerade nicht konservativ. Sondern einfach nur von gestern.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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