Kommentar Ukraine: Neuauflage in Orange

Eine ukrainische Regierungskrise konnte gerade noch so abgewendet werden. Doch die Koaliton steht und fällt mit der Kooperationswilligkeit zweier Kontrahenten.

Mit der Wahl von Julia Timoschenko zur Regierungschefin ist eine erneute Regierungskrise in der Ukraine abgewendet worden. Das ist, nach dem monatelangen politischen Stillstand und einem fast schon peinlichen Machtkampf zwischen Staatspräsident und Regierungsmehrheit, erst einmal eine gute Nachricht. Doch Optimismus wäre verfrüht. Denn ob sich die neue, "orange" Koalition aus Julia Timoschenkos BJUT-Partei und "Unsere Ukraine" von Staatschef Juschtschenko als stabil erweisen wird, ist keinesfalls ausgemacht.

Betrachtet man die vergangene Woche, ist Skepsis angebracht. Nach Timoschenkos beiden verpatzten Wahlgängen überzogen sich die Koalitionäre mit Schuldzuweisungen - nicht gerade ein Indiz für ein inniges Vertrauensverhältnis. Doch die Koalition steht und fällt mit dem Willen von Juschtschenko und Timoschenko zur Kooperation.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Timoschenko alles andere als Juschtschenkos Wunschkandidatin ist. Schließlich ist ihr Zerwürfnis, mit dem 2005 Timoschenkos Amtszeit als Regierungschefin nach nur wenigen Monaten endete, vielen Ukrainern noch in guter Erinnerung. Doch für Juschtschenko hätte es das politische Aus bedeutet, sie nicht zu ernennen. Das aber heißt noch lange nicht, dass er nicht noch einmal umfallen könnte, wie es in der Vergangenheit wiederholt geschehen ist. Doch auch Timoschenko könnte der Koalition mit ihrem Hang zu Kamikaze-Aktionen den vorzeitigen Todesstoß versetzen. So hat sie angekündigt, die neuen Preise für russisches Gas nachverhandeln und Privatisierungen rückgängig machen zu wollen. Damit sind neue Konflikte programmiert.

Es wäre der Ukraine zu wünschen, dass die Erben der orange Revolution endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Aufgaben der neuen Regierung sind jedenfalls gewaltig. So gilt es, eine Verfassungsreform zu vollenden und zwischen dem autoritären Nachbarn Russland und einer zaudernden Europäischen Union eine neue außenpolitische Linie zu finden. Juschtschenko und Timoschenko werden so bald wohl kaum eine neue Chance bekommen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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