Kommentar Afghanistan: Neues Wort für altes Kalkül

Der Verteidigungsminister hat die Auseinandersetzungen am Hindukusch als "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" neu eingestuft. Denn dafür gelten andere Regeln als für eine Friedensmission.

Die Zweifel in der deutschen Bevölkerung am Sinn des Afghanistaneinsatzes wachsen. Größer wird auch der Unmut über beschönigende Formulierungen, mit denen verschleiert werden soll, dass die Bundeswehr dort an einem Krieg beteiligt ist. Vor diesem Hintergrund dürfte es das Ansehen des Verteidigungsministers steigern, dass er beabsichtigt, die Auseinandersetzungen am Hindukusch wenn schon nicht als Krieg, dann doch wenigstens als "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" einzustufen. Taktisches Kalkül wird als Ehrlichkeit missverstanden.

Das wichtigste Motiv für die Neubewertung: Für einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt gelten andere Regeln als für eine Friedensmission. Militärische Ziele dürfen angegriffen, gegnerische Kämpfer gezielt getötet werden. Die Folgen von Gewaltanwendung werden nach dem humanitären Kriegsvölkerrecht bewertet. Ein Vorgang wie der Angriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus, bei dem zahlreiche Zivilisten starben, wäre dann vermutlich nicht mehr Anlass für einen Untersuchungsausschuss, sondern würde für unvermeidlich gehalten. Frei nach Matthias Claudius: "s ist leider Krieg - und ich begehre nicht schuld daran zu sein." Praktisch für eine Regierung.

Krieg dürfen die Kämpfe allerdings nach wie vor nicht genannt werden. Die Begründung dafür ist abenteuerlich: Der Begriff gelte nur für einen Konflikt zwischen Staaten, in Afghanistan aber kämpften internationale Truppen gemeinsam mit der afghanischen Armee gegen Aufständische. Merkwürdige Definition. Wenn es im Zweiten Weltkrieg eine bewaffnete deutsche Opposition gegeben hätte, der es gemeinsam mit den Alliierten gelungen wäre, die Nationalsozialisten von der Macht zu vertreiben: Hätte es sich dann auch um einen "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" gehandelt? Die Analogie ist formal gemeint, nicht inhaltlich.

Die Tatsache, dass die Taliban heute Rebellen sind und nicht mehr die Regierung stellen, ist nicht das Ergebnis eines Bürgerkriegs. Sondern nur auf das Eingreifen der Nato zurückzuführen, die dafür übrigens seinerzeit den Bündnisfall ausgerufen hat. Die Berufung auf den Bündnisfall - der zwangsläufig stets ein internationaler Konflikt ist, war es auch, die den Bundeswehreinsatz verfassungskonform sein ließ. Von "nichtinternationalen bewaffneten Konflikten" ist im Grundgesetz nicht die Rede.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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