Debatte Pflanzliche Kraftstoffe: Raps ist nicht die Lösung

In der Diskussion um pflanzliche Kraftstoffe kritisiert Greenpeace den Vorschlag der Grünen, die Anbauflächen für Biomasse zu vergrößern. Eine Antwort auf Bärbel Höhn.

"(Adj.) [zu veraltet Behut = Bewahrung]: sorgsam-vorsichtig, achtsam, rücksichtsvoll". So lautet der Eintrag im Duden für das Wort "behutsam". In ihrem taz-Kommentar von letzter Woche bezeichnete Grünen-Fraktions-Vize Bärbel Höhn den in ihrem Energiekonzept vorgesehenen drastischen Ausbau der Agrokraftstoffnutzung als "behutsam". Von 6 Prozent heute auf 18 Prozent im Jahre 2020 solle der Anteil der Agrokraftstoffe (auch irreführend "Bio"-Kraftstoffe genannt) am Spritverbrauch in Deutschland steigen. Greenpeace hält dies nicht für "behutsam", sondern für unverantwortlich.

Vom Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen über die Stellungnahme der OECD bis hin zu den Forschungsanalysen von Paul Crutzen - alle zeigen: Flüssige Agrokraftstoffe aus Raps, Getreide und Zuckerpflanzen schneiden in ihrer Emissionsbilanz und im Flächenverbrauch erheblich schlechter ab als die Nutzung von Biomasse wie Restholz für Strom und Wärme. Die Grünen formulieren jedoch - wie auch die Bundesregierung entgegen den Empfehlungen ihres eigenen Sachverständigenrates - Ziele, die vor allem einen drastischen Ausbau bei eben dieser Nutzung von Agrokraftstoffen vorsehen.

Bereits heute stößt der Monokulturanbau von 1,2 Millionen Hektar Raps für Agrodiesel, das entspricht einem Zehntel der gesamten Ackerfläche in Deutschland, an natürliche Grenzen. Nachhaltigkeit kann nach Auffassung von Greenpeace nur gewährleistet werden, wenn der Einsatz von Agroethanol und Agrodiesel in Deutschland zurückgefahren würde, während die Produktion von Wärme und Strom aus Biomasse unter bestimmten Umständen noch maximal verdoppelt werden könnte. Bis 2020 würde sich mit den Ausbauzielen der Bundesregierung bzw. der Grünen auch der Flächenverbrauch für den Anbau der energetischen Biomasse verdreifachen. In Deutschland oder - und das ist aufgrund der Kostenstrukturen weitaus wahrscheinlicher - im Ausland. Bereits dieses Jahr wurde rund eine halbe Million Tonnen undeklarierten Genrapsöls (ca. 10 Prozent des deutschen Rapsölbedarfs) aus Kanada - zum Teil über den Umweg Dubai - importiert. Ist das ein "achtsamer" Prozess? Der ineffiziente Raps wird sicherlich in einigen Jahren verdrängt werden. Aber wodurch? Durch Sojaöl aus Brasilien? Durch Palmöl aus Indonesien?

Die schwedische Firma OKQ8 beabsichtigte, als erstes Unternehmen in Europa Palmöldiesel zu 20 Prozent fossilem Diesel beizumischen und mit diesem Palmöldiesel zum Weltmarktführer in Agrodiesel aufzusteigen. Greenpeace hat in Schweden in den vergangenen Wochen eine intensive Kampagne gegen den Einsatz von Palmöl in Agrodiesel geführt - mit dem Erfolg, dass OKQ8 Ende Oktober beschloss und bekanntgab, dass es kein Palmöl in seinem Agrodiesel verwenden werde. Vorerst.

Die Bundesregierung nun bereitet in einer Verordnung, die Anfang Dezember im Kabinett beschlossen werden soll, Kriterien für Nachhaltigkeit und ein Zertifizierungssystem vor. Im vorliegenden Entwurf ignorieren diese Kriterien jedoch den Einsatz von Gentechnik sowie die indirekten Effekte einer Landnutzungsänderung, also die Verdrängung anderer Ackerpflanzen etwa auf Urwald- oder Torfmoorfläche. Darüber hinaus warnen Experten vor einer Überschwemmung mit "Gammelzertifikaten", zu Unrecht erteilten oder gefälschten Zertifikaten.

Höhn hat recht, wenn sie schreibt, dass die Ursache für Hunger hauptsächlich in einer ungerechten Landverteilung liegt. Absehbar ist aber, dass ein extrem rasanter Flächenverbrauch und ein Ansteigen der Lebensmittelpreise durch einen Biomasse-Boom zu enormen sozialen Verwerfungen führen und in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln treten und zu mehr Hunger bei denjenigen führt, die einen großen Teil ihres Geldes für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen.

Es geht Umwelt- und Klimaschützern nicht darum, die energetische Nutzung der Biomasse zu "verdammen", wie Bärbel Höhn schreibt. Natürlich ist es richtig, dass verglichen mit den gigantischen Flächen, die für die Fleisch- und Futtermittelproduktion in Brasilien genutzt werden, die Flächen für den Zuckerrohranbau für die Ethanolproduktion noch bescheiden sind. Aber erstens kämpft Greenpeace in Brasilien seit Jahren auch gegen die Ausbreitung der Weide- und Sojaflächen. Zweitens ist die zu erwartende Steigerungsrate hinsichtlich der Ethanolnachfrage weit höher als die bei der Fleisch- und Futtermittelnachfrage. Ethanolimporte aus Brasilien drängen förmlich auf den europäischen Kraftstoffmarkt.

Ähnlich sieht es beim Palmöl aus Indonesien und Malaysia aus: Derzeit wird der Großteil des Palmöls für Nahrungsmittel und Kosmetik eingesetzt. Aber 2005 wurden bereits 4,5 Prozent der Weltproduktion von Palmöl für den Energiemarkt in der EU produziert. Die Nachfrage nach Palmöl zur energetischen Nutzung steigt exponential an. Schon jetzt sind Indonesien und Brasilien wegen ihrer hohen Abholzungsraten hinter den USA und China die größten CO2-Emittenten weltweit. Und da sind wir wieder bei der Verantwortung der potenziellen Importstaaten wie Deutschland. Vor dem Hintergrund dieses Nachfragesogs, den wir erzeugen, und der massiven ökonomischen Interessen der Mineralöl- und Automobilkonzerne allein auf Zertifizierung zu setzen ist entweder naiv oder fahrlässig.

Greenpeace fordert daher von den agrokraftstoffexportierenden Staaten ein Moratorium für einen Anbau von Biomasse, der auf ökologisch sensiblen Flächen, insbesondere Urwald- und Moorwaldflächen erfolgt und/oder gentechnisch veränderte Pflanzen verwendet und/oder soziale Mindestkriterien missachtet. Wir fordern einen Stopp von Biomasse-Importen aus all jenen Staaten, die nicht ein solches Moratorium beschließen.

Es ist die Zeit gekommen für eine Art "globalen Flächennutzungsplan". Wie bekommen wir Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung, Klimaschutz und gerechte Teilhabe an der Weltwirtschaft angesichts begrenzter Ressourcen und begrenzter Flächen unter einen Hut? Ein globaler Flächennutzungsplan würde klarer nachvollziehbar machen, dass es ökonomisch machbar und nachhaltig ist, die Erzeugung von Windkraft bis 2050 weltweit zu verhundertfachen und die der Solarenergie sogar um das 300-Fache zu steigern. Er würde aber auch deutlich machen, dass eine ähnliche Vervielfachung bei der Nutzung von Biomasse nicht geht - oder katastrophale Folgen hätte. Global gesehen kann die Nutzung der Biomasse unter nachhaltigen Bedingungen maximal verdoppelt werden. Dabei sollte die Biomasse aber fast ausschließlich im Bereich der kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung zum Zuge kommen. Es wäre schlicht dämlich, diesen wertvollen Rohstoff in ineffizienten Motoren zu verbrennen. Der Ast, auf dem wir sitzen, besteht aus Biomasse. Und den sollten wir uns nicht selbst absägen.

TOBIAS MÜNCHMEYER

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