Kommentar Halberstadt-Prozess: Rechts statt Gesetz

In Halberstadt kommen Nazi-Schläger davon, weil die Polizei versagt hat. Derartiges polizeiliches Fehlverhalten ist in Sachsen-Anhalt jedoch kein Einzelfall.

Die Freisprüche im Prozess um den Nazi-Überfall auf Schauspieler in Halberstadt sind beschämend. Das Amtsgericht Halberstadt konnte sich dabei nur auf das stützen, was Polizei, Staatsanwaltschaft und die Zeugen an verwertbaren Beweisen lieferten. Das reichte für eine Verurteilung von drei Mitangeklagten nicht aus, auch wenn sie vom Hauptangeklagten Christian W. belastet wurden. Die schwierigen Umstände in der dunklen Tatnacht dürfen dabei nicht als mildernde Umstände für jene Polizisten gelten, die fahrlässig die Aufklärung der brutalen Schlägerei verschlampten.

Während des Verfahrens saßen sie stets mit auf einer virtuellen Anklagebank. Denn dank ihrer auffälligen Nachlässigkeit konnten Spuren nicht gesichert und Personalien nicht aufgenommen werden, weitere Täter ließen sie laufen. Eine interne Untersuchung hat den Beamten dies ausführlich bescheinigt.

Leider ist ihr Fehlverhalten kein Einzelfall in Sachsen-Anhalt. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages befasst sich mit sechs weiteren konkreten Fällen fahrlässigen Umgangs mit rechter Gewalt in dem Bundesland, das in dieser Statistik bundesweit an der Spitze liegt. Zudem war die arme Region zwischen Halle und Stendal stets für überraschende Wahlergebnisse rechter Parteien gut. Hinzu kommt wie überall in Ostdeutschland eine latente Anfälligkeit der ehemaligen DDR-Vopos gegenüber allen, die für straffe Zucht und Ordnung statt für Freiheit eintreten. Ein Telefonprotokoll der Halberstädter Dienststelle aus der Tatnacht illustriert zumindest die Abneigung gegen Bühnenkünstler, die als links gelten.

Das Signal des Halberstädter Urteils ist deshalb fatal: Es gibt eben doch No-Go-Areas, die man zu nächtlicher Zeit und bei linksverdächtigem Aussehen besser meiden sollte. Mehr noch, bei den Opfern des Nordharzer Städtebundtheaters ist das Gefühl entstanden, der Rechtsstaat könne sie weder vor gewalttätigen Übergriffen schützen noch die Täter konsequent verfolgen. An die ermunternde Wirkung des Urteils auf die Nazi-Szene möchte man gar nicht denken.

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Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.

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