Kommentar Stuttgart 21: Schön gerechnet

Die finanziellen Ausmaße des Stuttgarter Bahnhofprojekts sind gigantisch und eigentlich unbezahlbar. Doch die Politiker klammern sich an die Pläne, rechnen sie schön und stimmen zu.

Ein bitteres Schauspiel, wie das Milliardenprojekt Stuttgart 21 politisch schön gerechnet wird. Es soll kommen, es muss gebaut werden: Eigentlich haben die neuen Kalkulationen zu dem gigantischen Neubau des Stuttgarter Bahnknotens nämlich ergeben, dass es zu teuer wird: 4,9 Milliarden.

Es wäre das Ende gewesen. Eine grandiose Blamage für CDU, SPD und FDP in Baden-Württemberg. Für Generationen von Politikern, die seit 1994 predigen, der große Graben sei finanzierbar. Nun muss ein fast schon bemitleidenswerter Grube verkünden: „Erkenntnisse aus der Markt-Vergabeanalyse“ und „Dinge, wo wir mit den Architekten reden müssen“ hätten 597 Millionen Euro „Einsparpotentiale“ und 294 Millionen Euro „Chancen“ ergeben. Dechiffriert heißt das nichts anderes als: Wir haben so lange an den Zahlen gedreht, bis es passt. Unter 4,5 Milliarden musste herauskommen, denn nur so weit ging die Finanzierungsvereinbarung vom April 2009.

Grube verspricht nicht, dass es nach Baubeginn im nächsten Jahr nicht doch zu Kostensteigerungen kommt. Vermutlich, weil er weiß, dass sie kaum zu vermeiden sind: Dann, wenn die freie Wirtschaft in Ausschreibungen ihre Preise nennt. Nur wenige Firmen sind fähig, die kilometerlangen Tunnel unter der Stadt überhaupt zu graben. Vermutlich wird eine Auftragsvergabe an Firmen aus der Region politisch gewollt sein. Der Wettbewerb wird sich in Grenzen halten.

Grube wird nun auf Jahre hinaus ein Projekt vertreten müssen, dass der Bahn wichtige Investitionsmittel wegfrisst - und zwar in ganz Deutschland. Doch mit einem hat er Recht: Ein von Projektgegnern favorisierter, günstigerer Erhalt des Kopfbahnhofes würde erneut zu jahrelangen Planungen führen. Das aber ist nicht deren Schuld. Die Politik glaubt seit 15 Jahre ihren eigenen Stuttgart 21-Mantras und hat es versäumt, Alternativen zu planen. „Das ist Verkehrs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik auf höchstem Niveau“, lobte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger dafür gestern selbst.

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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