Debatte Klimawandel: Schönwetterdiplomatie

Der Glaube an den Markt wird die Erderwärmung nicht aufhalten. Dagegen gilt es neue starke Institutionen wie einen Weltklimarat zu schaffen.

Wenn heute die Frühjahrskonferenz der Weltklimadiplomaten in Bonn endet, lautet das Ergebnis wie immer: viele Worte, wenig Erfolge. Das Kioto-Protokoll ist tot. Und damit die neoliberale Idee, mit dem Klimaschutz Geld verdienen zu können.

Was wir jetzt brauchen ist ein Neuanfang - mit neuen, starken Institutionen, die gewillt sind, Regeln aufzustellen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Als Erstes müssen die Staaten der Welt das UN-Umweltprogramm Unep aufwerten und zu einer eigenständigen Behörde ausbauen. Nach dem Vorbild der Weltgesundheitsorganisation WHO könnte eine solche UN-Behörde die bisher zerstreuten Kompetenzen bündeln und bräuchte nicht mehr für jedes einzelne Projekt aufs Neue um Geld zu betteln.

Als Zweites brauchen wir einen UN-Klimasicherheitsrat - nach dem Vorbild des UN-Sicherheitsrats. Dieser trägt nach der Charta der Vereinten Nationen "die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit". Zweifellos bedroht die Erderwärmung den Weltfrieden: Schon heute werden Kriege um Wasser oder Erdöl geführt - etwa im Sudan, in Nigeria oder Palästina. Und längst fordert der Klimawandel mehr Todesopfer als der internationale Terrorismus. Die Hurrikansaison 2005 etwa, die schwerste seit Beginn der Wetteraufzeichnung, kostete mit weit über 3.000 Opfern mehr Menschenleben als der 11. September 2001.

In den neuen UN-Klimasicherheitsrat könnten neun ständige Mitglieder berufen werden. Dessen Sitze sollten sich an den ohnehin bestehenden "Fraktionen" der Klimadiplomatie orientieren: Erstens: die Koalition der Schwellenländer wie Brasilien, China, Indien, Südafrika oder Indonesien. Zweitens: die Gruppe der kleinen Inselstaaten, die teilweise in ihrer Existenz bedroht sind. Drittens: die Afrikanische Union, um die speziellen Probleme dieses Kontinents zu artikulieren. Viertens: die Mercosur-Staaten in Mittel- und Südamerika. Fünftens: der südostasiatische Zusammenschluss Asean. Sechstens: die arabisch dominierte Opec. Siebtens: ein Gremium für die Staaten der einstigen Sowjetunion. Achtens: die übrigen Staaten der "Umbrella-Group" um Japan, Kanada und die USA. Neuntens schließlich die Europäische Union.

Natürlich bevorteilt eine solche Sitzverteilung den Süden. Aber das ist nur gerecht. Denn die Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, leiden am stärksten unter dessen Folgen. Um den Großmächten ein angemessenes Gewicht zu verleihen, sollten dem Klimasicherheitsrat noch fünf nichtständige Mitglieder angehören, die von den G-20-Staaten entsandt werden. Einen nichtständigen Vertreter könnten zudem die indigenen Völker, die von der Eisschmelze in der Arktis bis zum Abholzen des Regenwaldes besonders betroffen sind, stellen. Ergänzt werden könnte die Runde durch die Organisatoren der Klimakonferenz - je einen Vertreter des UNFCCC-Sekratariats in Bonn (United Nations Framework Convention on Climate Change) sowie den Umweltminister jenes Landes, das die nächste Klimakonferenz ausrichtet. Anders als im UN-Sicherheitsrat dürfte im neuen Klimarat aber niemand über ein Vetorecht verfügen.

Praktisch könnte die Arbeit des neuen Gremiums so aussehen: Russland ruft den UN-Klimasicherheitsrat an, weil Deutschland sein Kioto-Ziel nicht schafft. Im Entwurf für die UN-Resolution K 72 wird Berlin ein Handelsembargo angedroht, falls es nicht umgehend etwas unternimmt. Oder Bolivien ruft den Rat an, weil Brasilien die Brandrodung des Amazonas-Regenwaldes nicht stoppt. In UN-Resolution K 73 wird daraufhin die Entsendung einer internationalen Schutztruppe beschlossen, falls die brasilianische Regierung das Problem nicht innerhalb einer festgesetzten Frist löst.

Erste und wichtigste Aufgabe des UN-Weltklimarates ist, einen Vorschlag zu erarbeiten, wie die Klimaverhandlungen künftig auf eine neue Grundlage gestellt werden können. In der Vergangenheit nämlich basierten das Kioto-Protokoll und alle anderen Gespräche auf historischen Besitzständen ("Grandfathering" heißt das Prinzip unter Fachleuten). So verpflichteten sich die Industriestaaten zu Reduzierungen ihrer Emissionen von 1990 - und erwarteten dafür großes Lob. Woraus aber, fragen Entwicklungs- und Schwellenländern ihrerseits, woraus leiten 20 Prozent der Weltbevölkerung im reichen Norden eigentlich das Recht ab, mehr als 60 Prozent des weltweiten Kohlendioxidausstoßes zu verursachen?

"Klimaschutz braucht mehr Gerechtigkeit", fordert die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai. Deshalb ist eine weitere Aufgabe des UN-Klimasicherheitsrats, eine Judikative zu entwickeln - so wie es einen Internationalen Seegerichtshof in Hamburg gibt oder den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, braucht die Welt einen Internationalen Klimagerichtshof. Dessen Rechtsgrundlage müssten vom Weltklimarat erarbeiten Statuten sein, damit der Gerichtshof strittige Fragen der Klimadiplomatie entscheiden kann.

Denn nie wieder soll ein Weltklimagipfel über Fragen wie diese debattieren müssen: Tragen Eukalyptusplantagen in Spanien in gleichem Maße wie Teakholzplantagen in Indonesien zum Klimaschutz bei? Auf den ersten Blick eine Lappalie. Auf den zweiten Blick aber wichtig, weil sich Spanien und Indonesien diese Plantagen auf ihre Versprechen zur Reduktion von Treibhausgasen anrechnen dürfen.

Dem UN-Klimarat muss es darum gehen, die jährlichen Klimagipfel von zähen Detailfragen zu entlasten. Ob und wie man ein internationales meteorologisches Austauschsystem einrichtet, wer es mit welchem Anteil finanziert - dazu bedarf es keiner jährlichen Weltklimakonferenz. Diese Konferenzen werden stattdessen das demokratische Zentrum der Weltklimapolitik. Dort bekommen künftig nur noch Staats- und Regierungschefs Zutritt. Denn aller Erfahrung nach entwickeln solch hochrangige Runden eine ganz andere Dynamik als die bisher üblichen Treffen von Staatssekretären und Fachministern, von Referats- und Unterabteilungsleitern.

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Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

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