Debatte Spanien-Wahl: Schwer vermittelbar

Spaniens Ministerpräsident Zapatero hat das Land beeindruckend modernisiert - und geschafft, dass niemand darüber spricht. Bei der Wahl am Sonntag ist alles möglich.

Vier Jahre ist es jetzt her, dass José Luis Rodríguez Zapatero die spanischen Parlamentswahlen gewann, entgegen allen Voraussagen und nur drei Tage nach den Anschlägen vom 11. März 2004. Man wird wohl niemals wissen, inwieweit das Massaker, bei dem 192 Menschen starben, zum Wahlsieg der sozialdemokratischen PSOE beigetragen hat. Sicher ist jedoch, dass der damalige konservative Ministerpräsident José María Aznar und sein designierter Nachfolger Mariano Rajoy mit der Wirkung des Anschlags nicht richtig umgegangen sind.

Jene Regierung, die Spanien gegen den mehrheitlichen Willen der Bürger in den Irakkrieg verwickelt hatte, wollte nun durch Lügen den Anschein erwecken, dass die ETA hinter dem Anschlag steht. Die Wähler bemerkten das Kalkül, die von Islamisten begangene Tat nicht mit dem Irak in Zusammenhang zu bringen, und straften die konservative Partido Popular (PP) ab.

Als erste Amtshandlung ordnete Zapatero den Rückzug der Truppen aus dem Irak an; Die PP und die ihr nahestehenden Medien machten monatelang mit Hilfe des 11. März 2004 Opposition, säten Zweifel an den Untersuchungen und zeigten alle Anzeichen, dass sie sich nie von der Wahlschlappe erholen würden, die keiner von ihnen erwartet hatte. Dabei nutzten sie aus, dass die PSOE zu Vereinbarungen mit Minderheitsparteien gezwungen war. Die harte Opposition der Konservativen wurde auch auf Themen ausgedehnt, über die ansonsten stets Konsens geherrscht hatte, wie der Kampf gegen den ETA-Terrorismus. So hatte zum Beispiel die PSOE Aznar unterstützt, als er 1998 Gespräche mit den Terroristen aufnahm.

Der Kampf gegen den ETA-Terrorismus war dann auch eines von zwei zentralen Themen, die sich die Regierung Zapatero vornahm. Sie akzeptierte nach zwei Jahren, in denen es keine Attentate gab, mit Unterstützung und Hilfe verschiedener europäischer Regierungen, aber gegen die harte Opposition der PP, die Aufnahme eines Dialogs mit der terroristischen Organisation. Der Fehler Zapateros bestand darin, dass er übertriebene Hoffnungen geweckt hatte. Nach zahlreichen Kontakten akzeptierte die ETA die Grenzen der Verhandlungen nicht, brach die Waffenruhe und ermordete zwei Menschen. Auch beim zweiten zentralen Thema blieb der Präsident erfolglos: Er rieb sich in der Ausarbeitung des Autonomiestatuts für Katalonien auf. Dazu sah er sich auf Drängen der nationalistischen Parteien genötigt, da er mit ihnen paktieren musste, um seine Mehrheit im Parlament zu behalten. Dieser Vorgang wurde in großen Teilen des übrigen Spanien nicht verstanden.

Zapateros großer Fehler war, diese politischen Themen permanent in den Vordergrund zu rücken. Andere, viel einschneidendere Entscheidungen, die er durchsetzte, gingen dabei unter. Beispielsweise wurde im katholischen Spanien ein Gesetz verabschiedet, das die Homoehe erlaubt, einschließlich Adoptionsrecht. In dem ebenfalls beschlossenen Abhängigkeitsgesetz wurde erreicht, dass alle, die aufgrund von Behinderungen pflegebedürftig sind, Unterstützung vom Staat bekommen. Und mit dem Gleichheitsgesetz wurden Quoten festgesetzt, um den Anteil von Frauen in Institutionen, Parteien und Unternehmen des Privatsektors zu erhöhen.

Diese drei Gesetze sind Zeichen eines außergewöhnlichen Modernisierungsprozesses und rechtfertigen schon allein für sich genommen die Regierungsarbeit der letzten Legislaturperiode. Es war eine Regierung nach den Maßstäben der klassischen Sozialdemokratie, kombiniert mit orthodoxer Ökonomie, was beispielsweise Steuersenkungen zulässt. Ein Mitarbeiter Zapateros beschrieb den Ministerpräsidenten einmal als Beidhänder: Linkshänder im Sozialen und Rechtshänder in der Wirtschaft.

Andere Bereiche, in denen orthodox sozialistische Teile der PSOE Veränderungen verlangten, wollte Zapatero nicht weiterverfolgen. Dazu gehören zum Beispiel die Erweiterung des Abtreibungsgesetzes, der Übergang zu einem laizistischen Staat und die Euthanasie.

Abtreibungen sind seit den 80er-Jahren gesetzlich erlaubt, sofern ein Risiko für die Mutter vorliegt oder für das Kind die Gefahr von Missbildungen besteht, und die von Zapatero nicht aufgenommene Forderung bezieht sich auf eine gesetzliche Fristenregelung, die einen Schwangerschaftsabbruch nach freier Entscheidung während der ersten zwölf Wochen erlaubt. In der Beziehung zur Kirche wird trotz der ständigen Konfrontationen wegen verschiedener Gesetze, wie der Homoehe, an der verbindlichen Regelung festgehalten, und Euthanasie wird ausgeschlossen.

Vier Jahre später hat der sozialistische Ministerpräsident es jedoch nicht geschafft, aus seiner Regierungsarbeit Kapital zu schlagen. Zwar hat er durchaus Aussichten auf die Verlängerung seines Mandates, laut Umfragen ist aber unklar, mit welchem Ergebnis er rechnen kann. Ihm gegenüber steht der Parteiführer der PP, Mariano Rajoy, der es verstanden hat, mit einer sehr harten Opposition und zahlreichen Demonstrationen auf der Straße, unter anderem gegen den Terrorismus, seine Wähler gegen die Regierung zu mobilisieren. Dies ist seine zweite und aller Voraussicht nach letzte Gelegenheit, das Amt des Ministerpräsidenten zu erlangen. Er hat sich entschlossen, ohne Komplexe zu agieren; und so schneidet er mit seiner durchschlagenden Botschaft heikle Themen an: vor allem Einwanderung, Terrorismus und Wirtschaft.

Diesmal verzichtet die PP zum ersten Mal auf das Wort "Mitte" und präsentiert sich als eine Partei der Rechten, die sich für "Ordnung und Kontrolle" bei der Einwanderung starkmacht, wobei sie für Maßnahmen wie das Kopftuchverbot in den Schulen oder die Verpflichtung der Immigranten zur Unterzeichnung eines Integrationsvertrags eintritt. Er soll sie verpflichten, sich an die Sitten und Gebräuche Spaniens zu halten. Diese Vorschläge haben im ganzen Land Reaktionen hervorgerufen, denn in Spanien gibt es, obwohl die Zahl der Einwanderer steigt, in dieser Hinsicht kein soziales Problem. Im Gegenteil: Ein Großteil des Wirtschaftswachstums in Spanien, das in den vergangenen Jahren noch höher war als im übrigen Europa, wird auch auf den Beitrag von eingewanderten Arbeitern zurückgeführt. Man ist allgemein überzeugt, dass die Wirtschaft Spaniens ohne die Arbeit der Immigranten zum Stillstand kommen würde.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass der Sieger mit den nationalistischen Parteien wird paktieren müssen, weil er keine absolute Mehrheit hat. Die große Herausforderung wird sein, das ins Stocken geratene Wirtschaftswachstum wieder in Gang zu bringen und zu entscheiden, ob weiter auf dem Wege des neuen Wohlfahrtsstaats, der in den letzten Jahren begonnen wurde, vorangeschritten werden soll. Daneben muss der Sieger auch versuchen, Absprachen, die seit 2004 nicht mehr eingehalten wurden, etwa in puncto Terrorismus oder Außenpolitik, wieder Geltung zu verschaffen. FERNANDO GAREA

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