Pro und Contra Intervention in Somalia: Soll die UN militärisch eingreifen?

Somalia ist ein führungsloses Land in Trümmern. Eine Stabilisierung der Region wäre dringend notwendig. Doch ist diese militärisch zu erreichen?

Gewalt ist Alltag in Somalia. Bild: dpa

PRO VON MARC ENGELHARDT

Der gescheiterte Staat Somalia, ein Land ohne Regierung, Polizei, Armee und jede Art von Ordnung, ist volljährig geworden. Seit 18 Jahren herrscht am Horn von Afrika ein Chaos, das den Irak oder Afghanistan als stabil erscheinen lässt.

Millionen sind vertrieben worden, allein seit Beginn des gerade aktuellen Kriegs (Islamisten zweier Fraktionen gegen machtlose Übergangsregierung und Friedenstruppen der Afrikanischen Union) vor zwei Jahren wurden mehr als 10.000 Somalier getötet.

Einen so vollkommen ruinierten Staat hat die Welt seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht gesehen. Somalia ist ein Tummelplatz für Terroristen, für Menschenschmuggler, Piraten, Geldwäscher, Drogenhändler, Waffenschieber und alle anderen, die die Gesetzlosigkeit suchen.

Vierzehnmal haben die UN und andere Staatenbünde versucht, zwischen den verfeindeten Clans, den zwielichtigen Geschäftsleuten mit Privatarmee und diversen anderen Interessengrüppchen einen politischen Frieden zu schaffen.

Das aktuelle Ergebnis: ein sogenanntes Parlament mit mehr als 500 Abgeordneten, das sich aus Sicherheitsgründen nicht treffen kann. Die Regierung mit 100 Ministern ist machtlos und nur gut darin, Millionenbeträge zu fordern, die irgendwo versickern.

Nach 18 Jahren Gesetzlosigkeit braucht es eine möglichst neutrale und vor allem mächtige Kraft von außen, um Stabilität zu schaffen. Eine starke UN-Truppe, zusammengesetzt aus mehr als 20.000 gut ausgebildeten und vollständig ausgerüsteten Soldaten, könnte die derzeitigen Kämpfe schnell beenden und damit auch das Leid eines ganzen Landes.

Genau dafür sind in der UN-Charta "friedenerzwingende Maßnahmen" vorgesehen. Es mag sein, dass eine ausländische Intervention die zerstrittenen Islamisten eint - doch viel schlimmer als jetzt kann die Lage nicht mehr werden. Das Ende mit Schrecken wäre jedem Somalier lieber als der Schrecken, der bald zwei Jahrzehnte ohne Ende anhält.

Marc Engelhardt ist Ostafrika-Korrespondent der taz

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CONTRA VON DOMINIC JOHNSON

Somalia ist das am schwersten zu regierende Land der Welt. Seit 18 Jahren schaffen es nicht einmal die Somalier selbst, die eigenen Angelegenheiten zu regeln. Einen Zentralstaat hatte Somalia zuletzt unter dem 1991 von Rebellen gestürzten Militärdiktator Siad Barre.

Seitdem herrscht Bürgerkrieg, dazu in einigen Regionen informelle Selbstverwaltung und eine nicht international anerkannte Republik Somaliland im abgespaltenen Norden des Landes. Mogadischu ist ein Trümmerfeld.

Eine ausländische Militärintervention kann unter diesen Umständen nichts Gutes bewirken. Zweimal ist das Ausland seit 1991 in Somalia einmarschiert. Einmal unter Führung der USA Ende 1992, als US Marines medienwirksam den Strand von Mogadischu stürmten und eine "humanitäre Intervention" zur Rettung der hungernden somalischen Bevölkerung starteten.

Ein Jahr später schlugen somalische Untergrundkämpfer die US-Truppen in die Flucht. Die zweite ausländische Militärintervention gab es eine Generation später, Ende 2006, als das große Nachbarland Äthiopien mit Unterstützung der USA in Mogadischu einmarschierte, um eine kurz zuvor installierte Regierung somalischer Islamisten zu stürzen.

Auch diese Intervention scheiterte. Die Äthiopier zogen Anfang 2009 wieder ab, der von ihnen eingesetzte Präsident ist längst wieder im Exil, und im Widerstand gegen Äthiopien haben Somalias Islamisten Zulauf erhalten. Beide ausländischen Truppenentsendungen haben Somalias Konflikte verlängert. Eine dritte darf es nicht geben.

Ein Ende von Somalias Krise können nur die Somalier selbst herbeiführen. Vorrangig durch den Aufbau lokaler Strukturen der Selbstverwaltung, die als "Inseln der Stabilität" das Überleben der Menschen sichern.

Erst wenn das funktioniert, könnte überhaupt die Neugründung eines somalischen Staatswesens beginnen. Es gibt viele Möglichkeiten, diesen Prozess von außen zu fördern, mit unbürokratischer Hilfe und Beratung. Aber Soldaten gehören nicht dazu.

Dominic Johnson ist Auslandsredakteur der taz

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