Kommentar Kritik am Papst: Spät, aber richtig

Angela Merkels verlangt vom Papst eine Klarstellung: eine spektakuläre Einmischung in das päpstliche Kerngeschäft. Sie ist aber notwendig angesichts des Angriffs auf die Staatsraison.

Der Papst hat kürzlich einen Weihbischof berufen, der Harry Potter für Satanismus hält. Außerdem glaubt dieser Mann, dass der Hurrikan, der New Orleans zerstörte, eine Strafe Gottes für eine sündige Stadt war. Wer das liest, mag zweifeln, ob die Trennung in fundamentalistische Sekten und moderate Kirchen nicht doch ein Trugbild ist. Der Papst Benedikt XVI. scheint jedenfalls entschlossen, den Katholizismus zu einer Trutzburg gegen die Moderne aufzurüsten.

Als Agnostiker mag man diese Wende ins 19. Jahrhundert für ein beunruhigendes Zeichen der Fundamentalisierung der Weltbilder halten. Aber für mehr auch nicht. Hierzulande herrscht Religionsfreiheit, die ein kaum zu überschätzender zivilisatorischer Wert ist. Sie schließt ein, dass Weihbischöfe abergläubischen Unfug predigen dürfen. Das ist ihre Party, nicht unsere.

Anders liegt der Fall des britischen Bischofs Richard Williamson, den der Papst rehabilitiert hat. Williamson leugnet unverdrossen den Holocaust. Angela Merkel verlangt von Papst Benedikt nun eine Klarstellung. Das ist eine ungewöhnliche, ja spektakuläre politische Einmischung in das päpstliche Kerngeschäft. Und - sie ist notwendig. Denn der Vatikan hat, trotz aller gewundenen Distanzierungen, damit einen Holocaustleugner konsensfähig gemacht. Das ist eben dann doch unsere Party.

In der Bundesrepublik hat sich in einem zähen, mühsamen Prozess das Bewusstsein herausgebildet, dass niemand den Holocaust in Abrede stellen darf. Die päpstliche Rehabilitierung von Richard Williamson, der die Gaskammern für eine Erfindung hält und gegen den deutsche Staatsanwälte ermitteln, ist ein Angriff auf diese Staatsraison und ein Dementi jedes republikanischen Wertegefüges.

Als Erster hat übrigens der Zentralrat der Juden gegen Williamson protestiert. Später kritisierten katholische Bischöfe den Papst, manche scharf, aber keineswegs alle. Danach meldete sich Merkel, die Zögerliche. Es wäre schön, wenn diese Reihenfolge mal anders wäre. Und doch zeigt Angela Merkels Intervention einen unübersehbaren Fortschritt. Ob Helmut Kohl vor zwanzig Jahren ähnlich eindeutig reagiert hätte, darf man tunlichst bezweifeln.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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