Kommentar NRW: Und nun zu den Inhalten

Jetzt müssen Kraft und Löhrmann ihr Wahlsprechen in NRW halten und einen Politikwechsel einleiten. Sie haben die Chancen für einen Neuanfang.

Rot-Grün ist in Nordrhein-Westfalen ein Start nach Maß gelungen. Dass kein einziger Abgeordneter von SPD und Grünen Hannelore Kraft die Zustimmung verweigerte, ist ein ebenso vielversprechendes Zeichen wie das geschlossene Abstimmungsverhalten der Newcomer von der Linkspartei. Sie haben Wort gehalten, dass an ihnen die Ablösung der schwarz-gelben Landesregierung nicht scheitern wird. Jetzt ist es an Hannelore Kraft und ihrer grünen Partnerin Sylvia Löhrmann, ihr Wahlversprechen eines Politikwechsels einzulösen.

Mit der Bildung der rot-grünen Minderheitsregierung, so hat FDP-Generalsekretär Christian Lindner Kraft vorgeworfen, verlasse sie den Traditionspfad von Wolfgang Clement und Peer Steinbrück. Hoffentlich behält er recht. Denn dieser "Traditionspfad" hat nicht nur die SPD an Rhein und Ruhr in den Abgrund geführt. Es wird nicht reichen, nur die ein oder andere Entscheidung der abgewählten Regierung Rüttgers rückgängig zu machen. Kraft und Löhrmann würden einen großen Fehler begehen, knüpften sie einfach nur an die Politik des ersten und aus guten Gründen 2005 gescheiterten rot-grünen Versuchs an. Der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen enthält allerdings viel wohlklingende sozialökologische Politprosa. Entsprechend ist er nach allen Seiten hin interpretierbar.

Kraft und Löhrmann haben die große Chance zu einem Neuanfang. Die Frage ist, ob die beiden ersten Frauen an der Spitze des bevölkerungsreichsten Bundeslandes auch genug Mut haben. Ihre rot-grüne Minderheitsregierung muss jedenfalls kein Interregnum sein. An der Linkspartei wird sie nicht scheitern - unter zwei Bedingungen: Anders als noch im Landtagswahlkampf dürfen zum einen die Sozialdemokraten die Linksparteiler nicht länger wie Parias behandeln. Dass sich am heutigen Donnerstag erstmals die Landtagsfraktionschefs von SPD, Grünen und Linkspartei zu einem Gespräch treffen, weist auf eine Normalisierung des Umgangs hin. Zum anderen muss die Linkspartei ihre Ankündigung wahr machen, auch aus ihrer Sicht nicht weit genug gehende Reforminitiativen von Rot-Grün zu unterstützen, solange diese den eigenen inhaltlichen Zielen nicht grundsätzlich widersprechen. Das wird ihr nicht immer leichtfallen; der Hang zum Verbalradikalismus gerade unter den NRW-Linksparteilern ist groß. Aber viel spricht dafür, dass auch sie wissen, was auf dem Spiel steht.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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