Kommentar Richtungsstreit in der Union: Was ist konservativ?

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel möchte vieles einfach so lassen wie es ist. Bei Hartz IV haben manche Parteikollegen jedoch andere Vorstellungen.

Angela Merkels Kritiker irren. Die Kanzlerin hat sich in ihrer Regierungszeit keineswegs vom Konservatismus abgewandt - sie hat sich ihm, ganz im Gegenteil, immer mehr angenähert. Anders als noch 2005 will sie die deutsche Gesellschaft nicht mehr umpflügen, das Sozialsystem revolutionieren, den Staat aus den Angeln heben. Sie will weder alles anders noch vieles besser machen. Sie will das meiste einfach so lassen, wie es ist. Das ist konservativ.

Bei den Hartz-IV-Gesetzen dagegen wollen manche in der Union jetzt sogar hinter den Status quo zurück: Früher nannte man so etwas reaktionär. An der Spitze dieser Bewegung steht der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Merkel empfand ihn lange als Quälgeist. Doch seit die Kanzlerin ihren sozialdemokratischen Koalitionspartner entbehren muss, ist Rüttgers für sie wertvoller denn je.

Nicht nur, weil er im Mai eine Wahl für sie gewinnen muss. Sondern auch, weil er sie in die Richtung zieht, in die sie sich nicht freiwillig begeben kann: von der Chancengesellschaft, die bislang nur eine Chimäre blieb, zurück zum Ständestaat konservativer Prägung. Wer lange gearbeitet hat, soll wieder länger Arbeitslosengeld beziehen. Wer dies nicht tun konnte, soll faktisch zurückfallen in die Sozialhilfe alten Stils.

Wenig konservativ ist hingegen der Versuch einiger CDU-Landespolitiker, den Konservatismus als Marktlücke zu definieren, die es im Dienst der eigenen Karriere zu besetzen gilt. Derlei frivoles Themenhopping zeigt, dass die Protagonisten die Ironie der Lage noch nicht verstanden haben: dass Union und FDP ausgerechnet in einer Zeit gemeinsam regieren sollen, in der sich die Allianz von Konservatismus und Wirtschaftsliberalismus als Missverständnis entpuppt hat.

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