Kommentar Asse: Was uns das Atomendlager lehrt

Atomkraft kann nicht so sicher sein, wie es die Regierung immer behauptet. Schließlich Arbeiten auch hier Menschen. Und damit sind Fehler schlicht vorprogrammiert.

Rechnen gehört nicht unbedingt zu den Fähigkeiten, die jedem Menschen in die Wiege gelegt sind. Und selbst wenn - jeder kennt diese in aller Eile geschriebenen Zahlendreher, die man später einmal verflucht, wenn man sie denn überhaupt bemerkt.

Dem ehemaligen Betreiber des Atomendlagers Asse ist nun, reichlich spät, eine solche Schusseligkeit aufgefallen. Durch fehlerhafte Additionen glaubten die Asse-Atomiker jahrelang, in ihrem maroden Bergwerk seien neun Kilogramm Plutonium versteckt. In Wahrheit sind es aber mehr als dreimal so viel, nämlich 28 Kilogramm. Ziemlich dumm gelaufen.

Es kann schon mal vorkommen, dass sich der Verkäufer an der Wursttheke im Supermarkt vertippt und dem Kunden einen Berg Weißwürste berechnet, den er nicht erhalten hat. Das ist für die individuelle Haushaltskasse zwar bedauerlich, für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland aber weniger bedeutsam. Unglücklicherweise handelt es sich aber bei Plutonium um einen der giftigsten Stoffe, die es auf diesem Erdball gibt.

Klaus Hillenbrand ist Leiter des CvD-Büros der taz.

Unglücklicherweise tropft es in die alten Bergwerkstollen von Asse so ähnlich herein, als handele es sich um eine Tropfsteinhöhle. Und unglücklicherweise weiß derzeit niemand so genau, ob und wie man diesen unterirdischen Müllhaufen sanieren kann und was das kosten wird. Sehr dumm gelaufen.

Ganz gewiss wird sich nun mindestens ein Verantwortlicher des Helmholtz-Zentrums ob des Rechenfehlers die Haare raufen. Wie konnte das nur passieren? Hätte man bloß noch mal nachgerechnet! Doch es ist müßig, nun eine genaue Fehlerdokumentation zu verlangen und dem Verantwortlichen mit Entlassung zu drohen. Fehler passieren. So wie der Mensch vernunftbegabt ist, so ist er leider bisweilen ein Volltrottel. So wie Fehler nicht passieren dürfen - sie geschehen leider bisweilen doch.

Und was folgt daraus? Weil wir alle bisweilen vertrottelt sind, muss Technik möglichst so narrensicher sein, dass daraus keine Katastrophe werden kann. Bei der Atomkraft ist das offenkundig nicht immer der Fall. Die von Politikern gerne abgegebene Behauptung, dass deutsche Kernkraftwerke sicher seien, impliziert, dass in Deutschland lebende Arbeitnehmer grundsätzlich fehlerlos tätig sind. Das ist leider völliger Blödsinn - und das weiß auch schon der letzte Freund der Atomenergie.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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