Kommentar Entschädigung für Überwachung: Wenn Überwachung sich lohnt

Bisher haben Telekom-Firmen die staatlichen Spitzelaufträge oft hinterfragt. Mit den neuen kostendeckenden Pauschalen könnten sie bald ein Interesse an möglichst vielen Aufträgen haben.

Selten waren sich Bürgerrechtler und Lobbyverbände der Industrie so einig: Die Kosten der Vorratsdatenspeicherung müssen den Unternehmen ersetzt werden. Doch dabei ist außer Blick geraten, dass die Firmen am Ende gar ein Interesse an mehr staatlicher Überwachung bekommen könnten.

Mehrere hundert Millionen Euro mussten Telekom- und Internet-Firmen (nach eigenen Angaben) für neue Software und Speicherkapazitäten ausgeben - damit die Vorratsdatenspeicherung für Telefon- und Internet-Verbindungsdaten funktioniert. Das Geld wollen sie zumindest teilweise vom Staat zurück. Und bei dieser Forderung erhielten sie bisher große Unterstützung von den Gegnern der umstrittenen Zwangsspeicherung.

Das Kalkül der Bürgerrechtler ist klar: Entweder der Staat kompensiert die Kosten, dann wird die Überwachung für ihn so teuer, dass er ähnliche Maßnahmen künftig weniger leichtfertig einführt. Oder der Staat spart sich die Entschädigung, dann ist die Vorratsdatenspeicherung schon deshalb verfassungswidrig.

Die jetzt gefundene Lösung ist ein bedenklicher Mittelweg. Im Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz wird zunächst nur die Erstattung für einzelne Überwachungsmaßnahmen erhöht. Das heißt: Je mehr polizeiliche Aufträge eine Firma bekommt, desto besser kann sie ihre Fixkosten abdecken. Wer seine Kunden nicht bespitzeln und überwachen muss, bleibt auf seinen Kosten sitzen.

Zu Recht warnen Anwälte bereits vor einem Paradigmenwechsel: Bisher haben Telekom-Firmen die staatlichen Spitzelaufträge oft hinterfragt - im Interesse ihrer Kunden und auch im eigenen Interesse, weil sie bei jedem Auftrag Verluste machten. Mit den neuen kostendeckenden Pauschalen könnten sie bald aber ein Interesse an möglichst vielen Aufträgen haben. Aus Datenschützern würden so, zugespitzt gesagt, besonders effiziente und willige Ermittlungshelfer.

Sollte diese Entwicklung tatsächlich eintreten, dann dürfte das bemerkenswerte Bündnis zwischen Industrie und Bürgerrechtlern sehr schnell wieder beendet sein.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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