Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Griechenland ist das Dortmund der EU, die Koalition praktiziert Moralverkehr, und der FDP gehts zu gut.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: NRW-Grüne schließen Koalition mit der Rüttgers-Arbeiterpartei nicht aus.

Friedrich Küppersbusch ist Fernsehproduzent und wird von der taz jede Woche zum Zustand der Welt befragt.

Was wird besser in dieser?

Das schafft links Platz.

Morgen wird über die Höhe des Hartz-IV-Satzes entschieden. Eine Zitterpartie für Regierung und Empfänger?

Der Chef der "Wirtschaftsweisen" der Bundesregierung, Wolfgang Franz, begeht das erwartete Urteil mit der Forderung nach "drastischer Senkung um 30 %". Was zunächst mal die Frage aufwirft, was im Vergleich zu ihm ein "Wirtschaftsdoofmann" bitte sein sollte. Hartzisten, so Franz, sollen mehr hinzuverdienen dürfen und weniger Sozialleistungen bekommen. Das wird die Firmen freuen, die künftig dumme Hände für Trinkgeld beschäftigen. Und die Arbeitsämter haben damit endlich ein Mittel, die Leute zum Arbeiten zu zwingen, für die eh keine Arbeit da ist. Oder so, egal, jedenfalls weise. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die Hartz-Regelsätze für Kinder, und die kinderreiche Sozialministerin und ihre Expertenjunta argwöhnen: Wer viele Kinder hat, dem geht es mit Hartz nicht schlecht genug. Was ja hieße, dass Hartz trotz allem eine gewisse soziale Restwirkung habe. Oder in Worten von Wolfgang Franz: "Hartz funktioniert nicht".

Apropos Regierung. Ihre Bilanz nach 100 Tagen Schwarz-Gelb?

Diese Bundesregierung hat ihr wesentliches Ziel schon erreicht : Sie ist Bundesregierung. Mehr darf man von denen nicht erwarten, sie wollten es unbedingt sein, nun sind sies, fertig.

Jetzt ist die FDP auch noch auf 8 Prozent abgerutscht. Eine verdiente Ohrfeige?

Nein, die 15 Prozent waren eine unverdiente Mahlzeit von Nachbars Teller. Unionswähler, die Merkel ohne SPD wollten, surften ne Runde auf der Schwesterwelle. Nun sind sie wieder reich ins Heim. Die FDP ist mit 8 Prozent noch hoch bewertet; als "Kauf dir eine Steuerbefreiung"-Partei liegen sie eher um 5 herum. Rüttgers hat eine reale Chance, von einer maßstabsgerecht bewerteten FDP zur großen Koalition gezwungen zu werden in NRW.

Kanzlerin Angela Merkel hat sich einiges vorgenommen. Etwa mithilfe der brisanten Steuer-CD den Steuermissbrauch einzudämmen. Darf die das?

Dass ausgerechnet in CDU und FDP nun reichlich Moralverkehr praktiziert wird, amüsiert. Diese Parteien haben das dem deutschen Rechtssystem fremde Schachern mit Verbrechern erfunden: die Kronzeugenregelung. Dass Kriminelle Kriminelle verpetzen dürfen, finden die gut; nur offenbar ab einem gewissen Kontostand nicht mehr. Gleiches Unrecht für alle, Merkel soll das Zeug kaufen lassen.

Und dann ist da noch die deutsch-französische Agenda 2020. Eine perfekte Harmonie?

Allianz der Überlebenden, die sich auf die Amis nicht mehr und die Chinesen noch nicht fixieren wollen. Wenn je Europa zu einer eigenen politischen Dimension wachsen kann, dann in diesem Umbruch und ohne den ganzen Nato-Ballast, den die Amis drüberstülpen. Und Europa als Wertegemeinschaft ist das Schlimmste, trotz allem, nicht. Der Titel ist behämmert, klar.

Vom Olymp ins Schuldenloch: Die EU hat Griechenland unter starker Beobachtung. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser?

Hey, dann ist Griechenland ja das Dortmund der EU! Hat es was mit Otto Rehhagel zu tun, der war hier auch mal Trainer … mysteriös! In Dortmundos gibts wegen geschminkter Schuldenzahlen sogar Neuwahlen, und der CDU-Regierungspräsident in Arnsberg teilt den SPD-Hasardeuren hier das Taschengeld ein und aus.

Sollte man die Kirche nach dem Missbrauchsskandal auch mehr kontrollieren?

Wie soll man das begründen? Dass Schwulenorganisationen per se der Kindervergewaltigung verdächtig seien? Nimmt man die stramm säkulare Burka-Debatte mit ins Bild, begegnet einem ein Staat, der seine Werte auch in kirchlich verwaltete Nischen trägt.Und zu Recht. Bei aller Dezenz etwa auch rein weiblicher Organisationen und Institutionen gegenüber: Die Geschlechterdiskriminierung in der katholischen Kirche wirkt begünstigend auf das Verbergen von Verbrechen. Wer etwa Schulen, Kindergärten und andere gesellschaftliche Einrichtungen betreibt, sollte sich den Grundwerten dieser Gesellschaft unterwerfen müssen. Also Geschlechtergerechtigkeit, demokratische Strukturen und Transparenz.

Beschert uns Stefan Raab mit "Unser Star für Oslo" endlich ein bisschen Frieden beim Eurovison Song Contest?

Nachdem sie Jauch vergrault und Raab erschüttert und viele Kreative abgeschreckt hat - gutes Signal für die ARD.

Und was treiben die Borussen?

Am 26. gastiert das Missionswerk Fußball Schwarzgelb wieder einmal aufopferungsbereit und selbstlos in der Fußballtiefburg Gelsenkirchen. Wir verstehen, dass vorher andere, ärmere Städte "Karneval" feiern - man muss sich da zu helfen wissen. Wir stehen vor dem Sessionshöhepunkt. FRAGEN: SEW

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