Kommentar US-Wahl: Wir sind Obama

Nachdem Obama den Sieg für sich verbuchen konnte, stellt sich die Frage nach der Zusammenarbeit mit Europa. Speziell Deutschland sollte seine Erwartungen kundtun.

Da ist er nun: Der Wunschkandidat der Welt hat auch die US-Amerikaner davon überzeugen können, dass er für das Weiße Haus der Richtige ist. Gut so. Ein denkwürdiger Tag, eine historische Chance - nicht nur für die USA.

Erinnert sich noch jemand an den Spruch des neokonservativen Vordenkers Robert Kagan? Der hatte 2003 verkündet, in strategischen und internationalen Fragen gingen die Ansichten von USA und Europa so weit auseinander, als seien die einen vom Mars und die anderen von der Venus.

Wenn es mit irgendeinem Politiker die Möglichkeit gibt, gemeinsam wieder auf der Erde anzukommen, dann mit Barack Obama. Die Europäer wären verrückt, wenn sie diese Chance nicht wahrnehmen würden.

Allerdings: Obama ist nicht zum Präsidenten Europas gewählt worden. Seit vielen Jahren haben die europäischen Regierungen darum gebeten, dass Washington ihnen zuhört. Aber was haben die Europäer eigentlich zu sagen? Es war doch eigentlich in den vergangenen Jahren recht bequem, sich kritisierend an der mangelhaften Krisen- und Kriegspolitik der USA abzuarbeiten oder sich einfach herauszuhalten. Stets haben die Europäer reagiert, mal zustimmend, mal ablehnend, aber immer passiv. Wer braucht solche Partner?

Beispiel Deutschland: Seit Monaten wird öffentlich darüber debattiert, wie man denn darauf reagieren könnte, wenn Präsident Obama, Gott behüte, einen stärkeren deutschen Truppeneinsatz in Afghanistan fordern sollte. Ergebnis: Keiner weiß es, und man hofft, dass er nicht fragt. Statt aber Eigeninitiative zu entwickeln und Obama europäische Vorschläge vorzulegen, hält die Bundesregierung an einem Einsatz fest, der vermutlich falsch und in seiner Unentschiedenheit zum Scheitern verurteilt ist. Was genau also wollen wir den USA mitteilen?

Es würde dem möglichen neuen Verhältnis zu den USA unter Präsident Obama guttun, wenn er auf Verbündete träfe, die sich nicht wegducken und abwarten, sondern selbst denken. "Bei diesem Wandel geht es nicht um mich, sondern vor allem um euch!", hat Obama seinen Anhängern immer zugerufen. Damit sollte sich auch Europa gemeint fühlen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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