Kommentar FDP: Wozu noch FDP?

Ein zentrales Problem der FDP ist der Erfolg des Liberalismus. Da braucht es keine kleine Freiheitspartei mehr. Und das Scharnier im Koalitionsspiel können auch die Grünen besetzen.

Guido Westerwelle ist, da sind sich fast alle einig, schuld am miserablen Zustand der FDP. Er ist der böser Dealer, der die honorigen Liberalen lange mit der Droge Erfolg versorgte. Jetzt ist der Stoff ausgegangen.

Dies ist eine unterkomplexe Problembeschreibung. Die Krise der Liberalen wird nicht verfliegen, wenn sie sich von ihrem Dealer befreit haben. Der neue FDP-Chef wird 2011 drei absehbare Wahlniederlagen, in Bremen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, erklären müssen - mehr als schwierig, da wenigstens den Anschein von Neubeginn zu wecken. Die FDP ist unter Westerwelle zu einer "Single issue"-Partei geworden, die nur noch für Steuersenkung steht. Aber schon "Steuern runter" war eine hysterische Antwort auf den Befund, dass den Liberalen ihr Daseinszweck abhandengekommen ist. Unter Westerwelle wurden sie zur Klientelpartei der Besserverdienenden: immerhin ein Sinnversprechen.

Alles andere, was zum liberalen Markenkern gehörte, ist fraglich geworden. Datenschutz? Machen die Grünen auch. Wozu Staatsskepsis, wenn der Nationalstaat von globalen Konzernen, Banken und EU in die Zange genommen wird?

Ein zentrales Problem der FDP ist der Erfolg des Liberalismus: Die Idee von Selbstverantwortung und Emanzipation ist auch bei Grünen und Union beheimatet. In einer weitgehend liberalisierten, säkularen Gesellschaft mit üppigen individuellen Freiheitsrechten wird eine liberale Partei nicht mehr als dringend nötig empfunden. Und die Rolle der Scharnierpartei im Koalitionsspiel, die mal mit der Union, mal mit der SPD regiert, können auch die Grünen besetzen.

Der Blick über die Grenzen zeigt, dass diese Krise nicht nur die FDP betrifft. In Österreich und den Niederlanden sind rechtspopulistische Parteien an die Stelle von liberalen gerückt. Dieser Ausweg ist der FDP aus historischen Gründen eher verwehrt.

Was nun? Es gibt noch Teile des gewerblichen Bürgertums, denen die Grünen zu öko sind und die Union zu sozialstaatlich oder zu kirchlich ist. Und die Arztgattin, die lieber unter ihresgleichen bleibt und Volksparteien meidet. Diese Basis aber schrumpft. Die liberale Erzählung, die individuelle Freiheit zu garantieren, franst aus. Was fehlt ohne FDP?

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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