Kommentar Westerwelle: Zum Scheinriesen geschrumpft

Erstaunlich ist nicht die Krise der Liberalen, erstaunlich ist, wie ungelenk und hysterisch Westerwelle und Co darauf reagieren.

Es ist nicht leicht zu erkennen, woran die FDP im Moment am meisten leidet. Die Liberalen schmerzt es, dass die CDU in NRW unverhohlen mit den Grünen anbandelt. Das ist machtpolitisch für die FDP in der Tat gefährlich. Es zeigt, dass der Preis für ihren Wahlerfolg eine drastische Verengung ihrer Koalitionsmöglichkeiten ist.

Die Liberalen sind auf Gedeih und Verderb an die Union gebunden. Und während die Union munter ihr Koalitionsspektrum erweitert, hat sich die FDP unter Westerwelle in eine neobürgerliche Protestpartei verwandelt, mit der sogar die ideologisch überaus dehnbare SPD nichts anfangen kann. Kurzum: Die FDP ist ein Scheinriese. Sie kann im Bund nur mit der Union regieren. Und auch was das betrifft, kann man sich derzeit nicht sicher sein.

Im Grunde bekommt Schwarz-Gelb nun die Quittung für seinen effektiven Wahlkampf. Die Union trat unter Merkel mittig und maßvoll auf. Was sie wollte, war nicht zu erfahren. Dafür war klar, dass sich unter Merkel schon nichts Dramatisches ändern würde. Die FDP zog an, wem das zu wenig war. Dies war eine perfekte Arbeitsteilung - aber perfekt eben nur als Inszenierung. Jetzt zeigt sich, dass die Liberalen ihr zentrales Versprechen - Steuersenkungen - nicht umsetzen werden. Steuersenkungen sind angesichts von Wirtschaftsbaisse und kollabierenden Haushalten blanker Unfug. Es wäre Irrwitz, wenn die Union dies zulassen würde.

Die Krise der Liberalen ist insofern nicht überraschend. Die Enttäuschung, die die FDP als Regierungspartei ihrer Klientel bereiten musste, war absehbar - und die FDP eine Art überbewertete Aktie, die beim ersten genauen Blick in die Geschäftsbücher abstürzen musste. Und nicht zu vergessen: Das eindrucksvolle Wahlergebnis verdankte die FDP auch der vorherigen großen Koalition.

Erstaunlich ist nicht diese Krise, erstaunlich ist, wie ungelenk und hysterisch Westerwelle und Co darauf reagieren. Sogar nach Merkels öffentlichem Rüffel für Westerwelles Populismus in Sachen Hartz-IV-Empfänger kennt der FDP-Chef nur eine Richtung: Attacke. Und es gibt niemanden in der FDP, der eine andere Tonlage anschlagen kann oder ein anderes Thema hätte.

Neben Westerwelle ist in der FDP kein Platz für eigenständiges Führungspersonal. Das wusste man schon vorher. Aber jetzt rächt es sich.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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