Streit der Woche: Kritik am Jugoslawientribunal

Schafft Den Haag Gerechtigkeit? Ja, denn der Gerichtshof wirkt abschreckend, meint Gerichts-Vizepräsident Kaul. Aber das Jugoslawientribunal ist zu selektiv, entgegnet Regisseur Schmid.

Am 26. beginnt endlich der Prozess: Radovan Karadzic. Bild: dpa

Kurz vor Beginn des Prozesses gegen den ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic vor dem Jugoslawientribunal bescheinigt der Vize-Präsident des Internationalen Strafgerichtshofes Urteilen aus Den Haag eine abschreckende Wirkung. "Moralisch gesehen ist unser Gericht stark", schreibt der Richter Hans-Peter Kaul im "Streit der Woche" der sonntaz.

Die von dem Gerichtshof verkörperten Verbote würden zunehmend anerkannt. "Davon geht international eine Präventions- und Abschreckungswirkung aus, auch wenn diese schwer messbar ist", schreibt Kaul. Im Verhältnis zu Konflikten in der Welt werde der Gerichtshof aber immer klein und schwach sein, "eher ein Symbol".

Nach mehreren Terminverschiebungen beginnt am 26. Oktober in Den Haag das Verfahren gegen Radovan Karadzic. Der ehemalige Führer der bosnischen Serben wird wegen Kriegsverbrechen und schwerer Menschenrechtsverletzungen angeklagt. Der Prozess wird nicht vor dem Strafgerichtshof, sondern vor dem Jugoslawientribunal verhandelt. Es wird eines der letzten großen Verfahren des Tribunals sein, das 1993 vom UN-Sicherheitsrat ins Leben gerufen wurde, um die Verbrechen der Balkankriege juristisch zu verfolgen.

Hans-Christian Schmid, Regisseur des Films "Sturm" über das Jugoslawien-Tribunal, kritisiert die Rahmenbedingungen der Verhandlungen. Das Tribunal stehe bei seiner Arbeit unter großem Zeitdruck, was Abstriche an der Gerechtigkeit nach sich ziehe. "Man kann nicht einfach die Augen vor bestimmten Vergehen verschließen, weil deren Aufarbeitung nicht mit dem straffen Zeitplan des Gerichtes vereinbar ist", schreibt Schmid in der sonntaz.

Der Völkerrechts-Professor und Linke-Politiker Norman Paech wirft dem Tribunal außerdem vor, es sei sofort in die Falle der Siegerjustiz getappt. "Eine Strafgereichtsbarkeit ist nur dann glaubwürdig, wenn sie jeden Verdächtigen unabhängig von Herkunft oder Staat vor Gericht bringt". Das in Den Haag keine Kriegsverbrechen der Nato verhandelt würden, sei deshalb ein Fehler im System.

Außer Kaul, Schmid und Paech schreiben im "Streit der Woche" in der sonntaz Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch, die Anwälte Wolfgang Keleck und Eberhard Schultz und die Wissenschaftlerin Ljubinka Petrovic-Ziemer.

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