Streit der Woche: Stoppt die Bahn-Privatisierung

Die S-Bahn in Berlin stürzte ins Chaos, weil die Bahn sie für den Börsengang ausquetschte, schimpfen Politiker. Ein Börsengang könnte so etwas verhindern, argumentieren Freunde der Privatisierung.

Leere auf Berlins Innenstadtbahnhöfen. Hilft hier eine Privatisierung gegen das Chaos? Bild: ap

BERLIN taz | Trotz des Chaos' im Berliner Nahverkehr wollen die Verfechter der Bahnprivatisierung das Projekt nicht begraben. Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Rainer Brüderle, schreibt im "Streit der Woche" der sonntaz, schuld an den Problemen in Berlin sei der rot-rote Senat in Berlin. "Er hätte die S-Bahn wenigstens teilweise ausschreiben müssen“. Das Problem sei nicht die Privatisierung, schreibt der FDP-Politiker. Verkehr auf der Schiene und Logistik sei keine staatliche Aufgabe. Das eigentliche Problem sei die Monopolstellung der Bahn.

Bei der zur Deutschen Bahn AG gehörenden Berliner S-Bahn gilt für die kommenden Monate ein Notfahrplan, weil Fahrzeuge überprüft werden müssen. Kritiker werfen der Bahn vor, an Sicherheit gespart zu haben, um die Bilanzen für den geplanten Börsengang aufzuhübschen.

Dieses Argument grenze an "Volksverdummung", schreibt der ehemalige Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel. Im Gegenteil: die Probleme in Berlin und der allgemeine Zustand vieler Streckenführungen und Bahnhöfe zeigten, dass die Privatisierung der Bahn überfällig sei. Um zu investieren, brauche die Bahn frisches Kapital, und das gäbe es nur an der Börse. Der Bund falle als Kapitalgeber wegen der hohen Verschuldung sowieso aus.

Der ehemalige Bundesvorsitzender der Lokführer-Gewerkschaft Gdl, Manfred Schell, schreibt hingegen: der Bundestag als Vertreter des Bahneigentümers müsse eine eindeutige Entscheidung gegen den Börsengang der Deutschen Bahn treffen. Ein neuer Versuch, die Bahn in die Börse zu bringen, würde vor allem auf Kosten der Belegschaft, der Qualität und der Verkehrssicherheit gehen, schreibt der Gewerkschafter in der sonntaz.

Zudem dürfe das Mehdorn'sche Prinzip: „wir fahren nur noch das, was sich rechnet“, mit der Folge, dass Städte mit unter 300.000 Einwohnern vom ICE-Verkehr abgekoppelt werden, nicht mehr verfolgt werden. „Der Eigentümer hat die Pflicht, seinem Unternehmensvorstand zu sagen, welche Bahn er in Deutschland haben will“, schreibt Manfred Schell.

Ebenso gegen eine Privatisierung spricht sich in der sonntaz der britische Labour-Abgeordnete Jeremy Corbyn aus. Die Erfahrungen mit der Privatisierung der staatlichen Britisch Rail in den 60er Jahren seien schlecht. Das Argument, die Bahn käme den Steuerzahler nach der Privatisierung billiger, sei „völliger Unsinn" gewesen. Im Gegenteil: der Staat müsse zur Subventionierung von neuen Schienenabschnitten und zur Unterstützung von Dienstleister nun viel mehr zahlen als vor der Privatisierung.

Im "Streit der Woche" äußern sich neben Brüderle, Henkel, Schell und Corbyn der Vorsitzende der Monopolkommission Justus Haucap und Ragnar Nordström Chef der Violia Verkehr, die unter anderem die Privatbahn Interconnex betreibt. Und taz.de-Leser Ulrich F. J. Mies, der es als eigentlichen Skandal betrachtet, dass die Privatisierung jemals „auf den Tisch kam“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.