Verein "Hatun und Can": Alice Schwarzer sagt aus

Die Emma-Chefin spendete an einen Verein für Frauen in Not. In einem Betrugsprozess schildert sie dubiose Praktiken. Sie wurde wohl über den Tisch gezogen.

Udo D. (r.) im Oktober 2010 vor dem Berliner Landgericht. Bild: dapd

BERLIN taz | Grinsend sitzt Udo D. neben seinem Verteidiger. Auf der Vorderseite seines T-Shirts prangt das Logo von RTL, auf der Rückseite steht "My Number 1 - RTL", darunter das Foto einer Frau. Hatun Sürücü? Das Bild der 23-jährigen Deutschkurdin, die 2005 von ihrem Bruder in Berlin erschossen wurde?

Es ist ein eigenartiger Kommentar, den der angeklagte Chef des Frauennothilfevereins "Hatun und Can" während der Aussage von Alice Schwarzer zur Schau trägt. Ihm wird in dem Prozess vor dem Berliner Landgericht vorgeworfen, 300.000 Euro Spendengeld für privaten Luxus, etwa Kneipen- oder Bordellbesuche, ausgegeben zu haben. Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer hatte dem Verein eine halbe Million Euro gespendet. Sie stellte später Strafanzeige wegen Spendenbetrugs gegen seinen Vorsitzenden.

In ihrer Zeugenaussage schilderte Schwarzer die Vorgänge. Es war im Sommer 2008, als sie "Hatun und Can" 3.000 Euro spendete, nachdem sie sich zuvor erkundigt hatte. "Die machen gute Arbeit", erfuhr die Verlegerin. Es handele sich um eine Art "flexible Bürgerinitiative", die verfolgten Frauen unbürokratisch und jenseits "von professionellen Zwängen" helfe.

Laut Schwarzer gab sich Udo D. ihr gegenüber als der Lebensgefährte der Ermordeten Hatun Sürücü aus. "Wir fanden das total rührend, dass der Freund der Toten das jetzt macht", sagte Schwarzer weiter. Es habe für sie "nicht den geringsten Grund für eine Irritation" gegeben.

Ein Jahr später erhielt Schwarzer einen Brief von Udo D., der sich aus "Sicherheitsgründen" Andreas Becker nannte. Er berichtete von der Geldknappheit des Vereins: "Sie sind unsere einzige Möglichkeit, unsere Arbeit aufrechtzuerhalten", schrieb Becker/D. Schwarzer beschloss, das Geld, welches sie in der RTL-Benefiz-Sendung "Wer wird Millionär?" erspielen würde, dem Verein zu widmen.

Mitte Oktober 2009 füllte sich das Konto von "Hatun und Can"

Mitte Oktober 2009 füllte sich das Konto von "Hatun und Can", gleichzeitig häuften sich die Anzeichen, dass mit dem Verein etwas nicht stimmt. Drei Wochen später fuhr sie nach Berlin. Gemeinsam mit der Frauenrechtlerin und Autorin Necla Kelek begehrte sie Auskunft über die Verwendung des Geldes. "Da kam so gar nichts, nur so ein Rumgedruckse", erinnert sich die Emma-Chefin. Merkwürdig fand sie, dass sich niemand von "Hatun und Can" mit seinem richtigen Namen vorstellen wollte. Auch ein Bodyguard irritierte sie.

Von Becker/D., einem feisten Mann mit Halbglatze, hatte Schwarzer "nicht das Gefühl, als ob das der Typ ist, der den ganzen Tag jungen Frauen aus der Bredouille hilft". Schritt für Schritt erklärt Schwarzer dem Gericht, wie sich ihre Zweifel zunehmend verstärkten, wie sich aus der Frage "Sind die vielleicht mit der Aufgabe überfordert?" die Sorge "Hat alles seine Richtigkeit?" ergab.

Sie verhandelte mit dem Vereinschef über niedrigere Spenden, versuchte tagelang vergeblich, ihn zu erreichen. Als dann im Berliner Tagesspiegel die Anzeige erschien: "Die Mitglieder von 'Hatun und Can' danken Alice Schwarzer und RTL" war Schwarzer alarmiert. Nach außen hin tat der Vereinsvorsitzende so, als sei alles in bester Ordnung. Das konnte nur das Täuschungsmanöver eines Betrügers sein, sagte die Zeugin. Sie brachte den Fall "Udo D." ins Rollen. Der 42-Jährige sitzt mittlerweile seit einem Jahr in Untersuchungshaft.

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