Drogenbeauftragte Dyckmans: "Alkohol gehört zu unserer Kultur"

Drogenbeauftragte Dyckmans (FDP) hält die bestehenden Gesetze gegen Alkoholmissbrauch für ausreichend. Und möchte an der Selbstkontrolle der Industrie festhalten.

Dyckmans: "Die Menschen können den Mittelweg schlecht einhalten." Bild: dpa

FRANKFURT taz | Die neue Drogenbauftrage der Bundesregierung, die Bundestagsabgeordnete Mechthild Dyckmans (FDP), sieht keinen Bedarf an Gesetzesänderungen gegen Alkoholmissbrauch. Das teilte sie am Dienstag auf einer Pressekonferenz des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) in Frankfurt mit.

Sie setze sich für die konsequentere Anwendung der bestehenden Regelungen ein. Alkoholkonsum gehöre nun mal zur Kultur dazu und sei "aus unserem gesellschaftlichen Leben nicht wegzudenken". Allerdings müsse damit verantwortlich umgegangen werden. Das wichtigste sei Aufklärung in Zeiten, in denen "die Extreme" zwischen totaler Abstinenz und Komasaufen immer größer würden: "Die Menschen können eigentlich den Mittelweg sehr schlecht einhalten."

Vorbeugung müsse schon an der Ladenkasse anfangen. Da sei Umdenken nötig. Nicht nur der Händler oder die Kassiererin sollten die Verwantwortung allein tragen, sondern die jungen Kunden verpflichtet werden, ihre Ausweise vorzulegen. Scanner-Kassen, die durch Piepton auf Alkoholika aufmerksam machten, könnten dabei hilfreich sein.

Damit geht Dyckmans nicht ganz konform mit der CDU-Bundestagsabgeordneten und Gesundheitspolitikerin Karin Maag. Diese setzt auf eine dreijährige Untersuchung der Restriktionen in ihrem Bundesland Baden-Württemberg. Dort wird der Alkoholverkauf nach 22 Uhr ab März 2010 grundsetzlich verboten sein. Die Maßnahme sei wegen der gewachsenen Kriminalität sinnvoll. Sowohl bei Gewaltdelikten wie bei Verkehrsunfällen spiele vor allem spätabends der Alkohol die größte Rolle. Außerdem seien Eltern und Schulen gefordert, gerade in einem "Weinland" ihren Kindern den Unterschied "zwischen Missbrauch und Genuss" frühzeitig zu vermitteln.

Der BSI hatte zum Gespräch "Alkoholpolitik quo vadis" auch den Sozialwissenschaftler Stephan Quensel geladen. Er differenzierte zwischen jugendlichen Problemgruppen. "Mal über die Stränge zu schlagen" sei bei Heranwachsenden mit sicherem sozialem Umfeld kein allzu großes Problem. Schwieriger werde die Lage, wenn Kinder und Jugendliche mit Schulproblemen zur Flasche greifen.

Besonders gefährdet seien junge Leute, die eigentlich abstinent seien, aber isoliert und vereinsamt lebten und deshalb alles versuchten, um auch "dazuzugehören". Sie seien oft diejenigen, die in Lebensgefahr gerieten, weil sie ohne Einbindung in eine Gruppe auch keiner sozialen Kontrolle unterlägen. Sie müssten gesondert angesprochen werden. Kampagnen mit Slogans wie "Just say no" bewirkten bei ihnen oft das Gegenteil. Jungen und Mädchen konsumierten Drogen aus unterschiedlichen Gründen, so Quensel. Für Jungen seien sie Mittel zu Kontakt, Konkurrenzgerangel und Angabe, für Mädchen eher modisches Zubehör zum Lifestyle.

Der BSI verwies darauf, dass die Industrie schon in hohem Masse Selbstkontrollle bei Werbung und Vertrieb praktiziere und zahlreiche Informations- und Präventionsprogramme an Schulen, für Autofahrer und Schwangere anbiete. Der "soziokulturelle Rahmen" der Trinkgewohnheiten müsse "ohne ideologische Scheuklappen" weiter analysiert werden.

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