Verbot in Hamburg: Die 9/11-Moschee ist dicht

Die Hamburger Behörden schließen jene Hamburger Moschee, in der die Attentäter des 11. September verkehrten. Experten streiten über die Wirksamkeit des Verbots.

Unter Aufsicht: Hamburger Polizisten sichern den Eingang zur Moschee. Bild: dpa

Christoph Ahlhaus ist optimistisch. "Die Moschee wird nun versiegelt. Damit hat der Spuk hinter den Mauern am Steindamm endlich ein Ende", hofft der Hamburger CDU-Innensenator. Am Montagmorgen hat seine Behörde die Schließung der Taiba-Moschee verfügt. Unter ihrem früheren Namen Al-Quds-Moschee war sie als Treffpunkt der Attentäter des 11. September 2001 um Mohammed Atta weltweit bekannt geworden. Auch der einzige in Deutschland verurteilte Helfer der Attentäter, der Marokkaner Mounir al-Motassadeq, ging am Steindamm 103 im Stadtteil St. Georg ein und aus.

Die Moschee hinter dem Hauptbahnhof sei weiterhin ein "Hauptanziehungspunkt von Dschihadisten" gewesen, die den "Heiligen Krieg" predigten. Insgesamt sei die dortige Szene "aggressiv und demokratiefeindlich", sagte Ahlhaus. Das habe man nicht länger dulden können. So sei in der Moschee die "Hamburger Reisegruppe" rekrutiert worden.

Dem Verfassungsschutzbericht nach machten sich im März 2009 neun Männer und zwei Frauen in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet auf. Ihr mutmaßliches Ziel: sich in einem Terrorcamp ausbilden zu lassen und in den Kampf zu ziehen. Einer von ihnen, der gebürtige Iraner Shahab D., tauchte später in einem Propagandavideo als "Abu Askar" auf. Als Kopf der Reisegruppe gilt der in Frankfurt am Main geborene Rami M. Dieser wurde Ende Juni in Pakistan festgenommen und könnte nach taz-Informationen noch im August nach Deutschland überstellt werden. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der Islamischen Bewegung Usbekistan.

Folgende islamistische Organisationen wurden bisher in Deutschland rechtskräftig verboten:

Kalifatstaat: Türkisch-islamistische Organisation mit Zentrale in Köln, von Bundesinnenminister Otto Schily mit 19 Teilorganisationen wegen "aggressiv-kämpferischer Betätigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung" im Dezember 2001 verboten.

Al-Aqsa e. V.: Deutscher Ableger eines internationalen Spendensammelvereins für die Hamas, Sitz in Aachen, von Schily im Juli 2002 u. a. wegen Unterstützung einer Terrororganisation verboten.

Hizb ut-Tahrir: Panislamistische Organisation, in Deutschland ohne offizielle Struktur, im Januar 2003 von Schily u. a. wegen "Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung" verboten.

Yeni Akit GmbH: Verlegerin der Europaausgabe der türkischen Tageszeitung Anadoluda Vakit, Sitz in Mörfelden-Walldorf, im Februar 2005 u. a. wegen Leugnung des Holocausts von Schily verboten.

Multikulturhaus: Moscheeverein in Neu-Ulm, wegen "Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens von Deutschen und Ausländern" im Dezember 2005 vom bayerischen Innenminister Günther Beckstein verboten.

al-Manar: Im Libanon ansässiger, der Hisbollah nahe stehender Fernsehsender, im Oktober 2008 u. a. wegen antisemitischer Propaganda von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble verboten.

Internationale Humanitäre Hilfsorganisation: Deutscht-türkische Organisation, Sitz in Frankfurt am Main, im Juli 2010 wegen Unterstützung der Hamas von Bundesinnenminister Thomas de Maizière verboten. (Verbot ist noch nicht rechtskräftig).

Taiba-Moschee: Von Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus im August 2010 verboten.

Den Zeitpunkt des Verbots des Hamburger Moscheevereins erklärten Innensenator Ahlhaus und Lothar Bergmann, der Leiter der Anti-Terror-Koordinierungsstelle in der Innenbehörde, damit, dass die Unterlagen "gerichtsfest sein mussten". Das habe monatelanger intensiver Vorarbeiten bedurft, schließlich sei Deutschland "ja ein Rechtsstaat". Am Dienstag vergangener Woche sei die Genehmigung des Hamburger Oberverwaltungsgerichts für die Aktion zugestellt worden, danach habe man ein paar Tage für die Feinplanung benötigt.

Ahlhaus wies Gerüchte zurück, er habe das Verbot aus politischem Kalkül zunächst verzögern wollen. Um seine Wahl zum Nachfolger von Bürgermeister Ole von Beust am 25. August nicht zu gefährden, habe er den grünen Koalitionspartner nicht mit einer solchen Aktion irritieren wollen, war spekuliert worden. Da sei nichts dran, man habe der gerichtlichen Erlaubnis zügig Taten folgen lassen.

Montag früh um 6 Uhr hatten Polizisten die Moschee sowie vier Wohnungen von Vorstandsmitgliedern des Moscheevereins durchsucht. Die Moschee wurde geschlossen und versiegelt. Ihr Träger, Taiba, Arabisch-Deutscher Kulturverein e. V., wurde verboten, ebenso mehrere Unterorganisationen. Über die Höhe der beschlagnahmten Vermögenswerte konnte Ahlhaus noch keine Angaben machen. Ebenso könne die Frage nach strafrechtlich relevantem Material noch nicht beantwortet werden.

In Sicherheitskreisen wird die Schließung der Hamburger Moschee durchaus zweischneidig gesehen. "Ein Verbot löst keinen Jubel aus", sagte ein hochrangiger Verfassungsschützer der taz. Denn dadurch verlagere sich die dschihadistische Szene eher in Wohnungen oder an andere Orte, etwa Sportstudios.

Die Moschee habe "auch einen hohen Symbolwert", entgegnet dem Manfred Murck, Vizepräsident des Hamburger Verfassungsschutzes. "Sie hatte in entsprechenden Kreisen den Nimbus der Attentäter vom 11. September". Deshalb gebe es dort nach seinen Erkenntnissen "Leute, die auch Helden werden wollen - und zwar noch in dieser Welt". Es sei nun gelungen, "diesen Prozess zu stören". Nun müsse das Augenmerk darauf gerichtet werden, neue Gruppenbildungen zu verhindern: "Wir folgen der Szene", versicherte Murck. Diese bestehe aus etwa 45 Dschihadisten, von denen anzunehmen sei, dass sie auch vor extremistischer Gewalt nicht zurückschreckten.

Eine besondere Rolle in der Moschee soll der Deutsch-Syrer Mamoun Darkazanli gespielt haben, der dort zuletzt als Imam tätig gewesen sei. "Der ist ein echter Hassprediger", sagte Bergmann von der Hamburger Innenbehörde.

Darkazanli ist kein Unbekannter. Auch er hatte Kontakt zu den Attentätern vom 11. September 2001. Doch die Bundesanwaltschaft musste ihre Ermittlungen gegen ihn 2006 einstellen. Auch eine Auslieferung nach Spanien, wo man ihn wegen seiner angeblichen Verbindung zu al-Qaida drankriegen will, kam nie zustande. Anfang des Jahres wurden zudem Gerüchte über einen Anschlagsplan der CIA gegen Darkazanli bekannt. Die USA bestreiten die Pläne.

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