Bestandsaufnahme zum "Vatertag": Die Mitte machts

Nicht der Lagerarbeiter und der Topmanager treiben laut einer Ver.di-Studie den Wandel voran: Es sind die Männer der Mitte, die in Elternzeit gehen - trotz der Häme der Kollegen.

Jeder zehnte Vater beantragte Ende 2007 Elterngeld. Bild: dpa

Die Bestandsaufnahme zum "Vatertag" könnte so rosig ausfallen. Landauf, landab besingen Politiker derzeit einen "gesellschaftlichen Umbruch". Immer öfter wollen Männer mehr sein als nur die Geldgeber für ihr Kind. Jeder zehnte Vater beantragte Ende 2007 Elterngeld. Und bekundete somit seinen Willen, sich eine Zeit lang aufs Windeln und Wickeln zu verlegen. Nun überlegen Politiker gar, Männern noch weitere bezahlte Papamonate zu spendieren. Sind jetzt die Zeiten vorbei, in denen Väter lieber in Büro oder Kneipe entschwanden, als Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen?

Solcher Optimismus wäre verfrüht. Denn die aktuellen Statistiken zeigen auch: Nach wie vor finden es neun von zehn Männer in Ordnung, dass allein die Mutter beruflich zurücksteckt. Ob 2008 tatsächlich jeder vierte Mann die Vätermonate beantragen wird, wie das Familienministerium am Montag prognostiziert hat, wird sich erst noch erweisen.

Ungebrochen ist auch der Trend, dass Männer, wenn sie überhaupt Elternzeit beantragen, meist nur die Mindestzeit von zwei Monaten nehmen. Barbara Riedmüller, Politologin an der FU Berlin, zögert denn auch, von einem wirklichen Massenphänomen zu sprechen. "Pioniere" nennt sie die Männer, die sich an Elternzeit und Teilzeitmodellen versuchen.

Pünktlich zum "Vatertag" präsentierte Riedmüller jetzt eine von Ver.di initiierte Studie. Eine Forschergruppe hat durchleuchtet, wie in verschiedenen Betrieben das Thema "Männer und Familie" gehandhabt wird. Das Ergebnis: Auf dem Papier hat sich viel getan - praktisch umgesetzt aber werden die Konzepte noch zu selten.

So stehen zwischen Vater und Babypause weniger die Vorgaben des Betriebs. Gewichtiger ist, dass sich die Männer gar nicht trauen, ihr Recht auf Elternzeit einzufordern. Sie fürchten, als arbeitsscheu oder wunderlich zu gelten. Stärker noch als den Chef fürchten sie den Spott der Kollegen. "Dies gilt gerade in traditionellen Männerbranchen wie der Autoindustrie", sagt Riedmüller. Umso dringender bedarf es "statusmächtiger Promotoren", wie die Forscherinnen sie nennen. Also eines Fürsprechers in der Chefetage. Er besitzt mehr Hausmacht als die offiziellen Gleichstellungsbeauftragten, an die sich Männer ohnehin nur selten wenden. Nur wenn ein solcher Fürsprecher existiert, entwickelt die Idee eine Strahlkraft, die bis hinunter zum gemeinen Angestellten reicht.

Und nur so trauen sich junge Väter, die ja oft noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen, ein paar Monate zu Hause zu bleiben. Und genau hier liegt auch das Dilemma. Einerseits brauchen Familienmänner Vorbilder, bevorzugt aus der Chefetage. Andererseits findet sich dort kaum ein Mann, der zum Kinderhüten aus dem Beruf aussteigt.

Denn laut der Studie drängt vor allem eine kleine Männergruppe an die Wickeltische: Gutgebildete, die keine Führungskräfte sind. Geringqualifizierte sind zu schnell ersetzbar, als dass sie sich die Auszeit zutrauen oder leisten können. Der Lagerarbeiter oder Aldi-Verkäufer geht nur höchst selten in Elternzeit. Ebenso wenig haben die Forscherinnen einen Topmanager in Babypause gefunden. Motor des Fortschritts sind demnach die Männergruppen dazwischen. Also Väter, die vermuten, dass sie es sich leisten können, einige Zeit aus dem Job auszusteigen. Sie sind so gut ausgebildet, dass sie annehmbare Aussichten haben, nach der Babypause ihren alten Job wiederzubekommen. Zudem haben diese Männer oft Partnerinnen, die ebenfalls gutqualifiziert sind - und nicht bereit, alleine die Familienpflichten zu schultern.

Riedmüller etwa beobachtet, dass ein einst gängiger Typus der Professorinnengattin selten wird: jene Frauen, die an der Uni ihren Mann kennenlernten, dann aber auf eine eigene Karriere verzichten - um sich fortan einem Dasein als Frau an seiner Seite zu widmen. Heute sind die jungen Forscher häufig mit Forscherinnen zusammen, die ihrerseits nach Professorenwürden streben. Vor ein paar Jahren noch bekamen diese Frauen oft keine Kinder, berichtet Riedmüller. Forscherkarriere und Kind galten als unvereinbar. Heute gründen diese Frauen durchaus Familien, sagt die Politologin. Dann aber verlangen sie ihrem Mann seinen Anteil am Kinderhüten ab. Diese Entwicklung beschleunige sich durch die gesellschaftliche Debatte der letzten Jahre: Frauen, die Karriere machen, gelten nicht mehr automatisch als Rabenmütter. Die Forscherinnen haben aber noch ein mächtiges Motiv für Familienfreundlichkeit ausgemacht: den Fachkräftemangel. Er bekehrt Firmen, um jede junge Kraft zu werben.

Dies gilt gerade in der Provinz. Kann eine Stadt nicht mit Alster, Starorchester oder Hauptstadtflair aufwarten und belebt sich dann noch die Konjunktur, dann setzen Firmen auf einmal auf familienfreundliche Modelle.

Nicht zufällig sind es Städte wie Warendorf, die die Forscher als besonders elternfreundlich loben. Gerade hier verschiebt sich auch das Machtgefüge zwischen Chef und Untergebenen. Ein Vater wagt es eher, sein Recht auf Babymonate oder Teilzeitarbeit einzufordern, wenn er weiß: Hier auf dem Lande findet sich sowieso niemand, der mich so schnell vom Posten verdrängt.

Die Bilanz aus der Väterdebatte der letzten Monate fällt also zwiespältig aus. Immerhin werden Ansätze eines Wandels sichtbar. Die jungen Männer, die heute Elternzeit nehmen, dienen vielleicht später ihren Nachfolgern zum Vorbild. Klar wird aber auch: Dies ist nicht allein ein Männerproblem. Ohne Frauen, die ihre Partner zu neuen Lebensentwürfen drängen, wird der Wandel nicht gelingen.

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