Kirchenskandal in Finnland: Flucht der Liberalen

In einer Talkshow stellen finnische Kirchenfunktionäre klar, dass Homosexualität eine Sünde sei. Als Reaktion erlebt die Kirche eine nie dagewesene Austrittswelle.

Warten auf das Ende? Die finnische Kirche verliert gerade hunderte Mitglieder pro Tag. Bild: gernot1610 / photocase.com

STOCKHOLM taz | Auf der Webseite eroakirkosta.fi kann man mit einem Onlineformular seine Mitgliedschaft in der evangelisch-lutherischen Kirche Finnland aufkündigen. Was dort in den letzten zehn Tagen über 34.000 Finnen gemacht haben. Oder fast so viel wie sonst in einem Jahr.

Anlass der Austrittswelle ist die Talkshow "Ajankohtainen Kakkonen" des öffentlich-rechtlichen finnischen Fernsehens YLE. Da bezeichneten der Bischof von Tampere, Matti Repo, und die Vorsitzende der Christdemokraten, Päivi Räsänen, Homosexualität als Sünde. Und sprachen sich gegen gleichgeschlechtliche Ehe und gegen ein Adoptionsrecht homosexueller Paare aus, denn diese seien "schlechtere Eltern".

Schon während der Sendung schnellte die Kurve der Austrittsmeldungen auf eroakirkosta.fi nach oben. Mit über 5.700 Austritten am vorletzten Sonntag als Tagesrekord - bei einem normalen Tagesschnitt von 140.

Man muss keine Begründung für den Austritt angeben, doch es gibt keinen Zweifel, dass es sich um einen Protest gegen die noch weithin homophobe finnische Kirche handelt. Da gibt es zwar auch offen lesbische und schwule Pfarrer, aber je höher in der Hierarchie, desto schwerer tut sich die Kirche mit der Gleichberechtigung.

Das sei ein Spiegelbild der sehr konservativen finnischen Gesellschaft, die in ihrer Haltung zu Schwulen und Lesben Jahrzehnte hinter der Entwicklung in Skandinavien zurückliege, meint Tanja Lehtoranta, Generalsekretärin von Seta, der nationalen Dachorganisation für sexuelle Gleichberechtigung.

Der für kirchliche Angelegenheiten zuständige Kultusminister Stefan Wallin kritisierte die Kirchenvertreter für ihre Talkshowäußerungen. Er warf ihnen vor, "Kirchenmitglieder auszumustern", und es werde versucht, "Uhren zurückzustellen".

Erzbischof Kari Mäkinen betonte, in der Sendung sei nicht die wahre Linie der Kirche zum Ausdruck gekommen. Woraufhin verschiedene Medien wissen wollten, was denn eigentlich die "wahre Linie" der Kirche sei.

May Wikström, Chefredakteurin der Kirchenzeitung Kyrkpressen, glaubt, die jetzige Massenflucht könne sich als Wasserscheide erweisen, die die Kirche zwinge, deutlicher Stellung zu beziehen. Der jetzige Verlust liberaler Mitglieder könne eine Debatte auslösen, welche die Erneuerung der Kirche vorantreibe und die liberale Fraktion stärke.

Die Austritte der letzten Tage bedeuten für die protestantische Kirche, in der noch über 80 Prozent der Finnen Mitglied sind, schon jetzt verminderte Kirchensteuereinahmen von jährlich etwa acht Millionen Euro. Die Kirche verlassen vor allem die unter 40-Jährigen, und im Budget einiger Kirchengemeinden werden bald einige Prozent fehlen.

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