Studie zu Polizeiarbeit und Gefühlen: Polizisten weinen nicht

Ohne Gefühle funktioniert die Arbeit von Polizisten nicht, so eine Studie der Uni Chemnitz. Dennoch lassen viele Beamten kaum noch Emotionen an sich heran, um sich zu schützen.

Was unter den Helmen passiert? Vieles wird unterdrückt, so die Studie. Bild: ap

"Wenn etwas Schlimmes passiert war, habe ich meinem Vater das angesehen", sagt Peggy Szymenderski. "Dann waren seine Augenringe größer, als sie es ohnehin schon waren." Die Soziologin ist in einer Polizisten-Familie aufgewachsen. Heute untersucht die 29-Jährige in einem Forschungsprojekt an der Technischen Universität (TU) Chemnitz die Emotionen der Beamten. Sie führte bislang 40 Interviews mit 16 Frauen und 24 Männern. Ihr Befund: Gefühle werden bei der Polizei unterdrückt, aber ohne sie funktioniert die Arbeit dort nicht.

So muss ein Polizist bei einem Verhör auch schon mal bedrohlich auftreten können - und etwa dem Opfer einer Vergewaltigung gegenüber einfühlsam. Aber Polizisten haben auch Angst. Wenn sie beispielsweise nachts ein Auto anhalten oder wenn sie einen flüchtenden Verdächtigen stellen müssen. "Angst ist wichtig, um sich selbst zu schützen", erklärt Szymenderski. "Aber wenn die Polizisten Angst zeigen, kann ihr Gegenüber das ausnutzen." Deshalb verstecken die meisten diese Emotion.

Ihre Gefühle unter Kontrolle zu behalten, erfüllt für die Polizisten noch eine andere Funktion: den Schutz vor dem Erlebten. Das Schlimmste ist oft nicht das Blut am Ort eines Unfalls, Selbstmords oder Mordes, sondern die Geschichte der Opfer. Vor allem, wenn eines der Opfer einer Person aus Familie oder Bekanntenkreis ähnlich ist.

So in einem Fall aus der Studie: Ein Polizist wurde zum Selbstmord einer jungen Frau gerufen, die sich aus Liebeskummer umgebracht hatte. Er dachte gleich daran, dass die Frau mit ein wenig Abstand ihre Entscheidung vielleicht noch einmal überdacht hätte. Und er dachte an seine eigenen Töchter, die vielleicht einmal in eine ähnliche Situation geraten könnten.

Im Privatleben treffen die Beamten aufgrund solcher Gedanken mitunter Entscheidungen, die für ihre Familie schwer nachvollziehbar sind - und über die es dann Streit geben kann. So sagte in den Interviews für die Studie eine Polizistin, dass sie zuhause auf gar keinen Fall einen Gartenteich haben wolle. Der Grund: Sie musste einmal zu einem Unfall kommen, bei dem ein Mädchen im Alter ihrer Tochter in so einem Teich ertrunken war.

Schwierigkeiten in ihrer Familie bekommen aber auch leicht Polizisten, die gar keine Gefühle mehr an sich heranlassen. Beamte bei der Mordkommission beispielsweise, die häufig zu Toten gerufen werden. Ihr Verhalten kann auf einen Außenstehenden leicht zynisch wirken, schützt sie aber davor, beispielsweise mit den Angehörigen des Toten mitzuleiden. "Sie stumpfen emotional ab", erklärt Szymenderski. "Und haben dann Probleme, sich in ihrer Familie auf Emotionen einzulassen."

Dabei ist die Familie für die meisten Polizisten als Rückzugsort sehr wichtig. Um von der Arbeit zu entspannen, und auch, um über das im Dienst Erlebte zu reden. Denn oft gelingt es den Beamten nur solange, ihre Gefühle zu unterdrücken, wie sie im Dienst sind. "Zuhause, wenn sie zur Ruhe kommen, kommt das Erlebte dann wieder hoch", sagt Szymenderski.

Wie viel Verständnis der Partner den Sorgen eines Polizisten entgegenbringt, hängt auch davon ab, wie gut er sich in dessen Situation versetzen kann. Leichter fällt das natürlich denjenigen, die selbst auch bei der Polizei arbeiten. In der Studie waren das etwa ein Drittel der Befragten.

Auch Peggy Szymenderskis Eltern arbeiten beide bei der Polizei. Das hat es ihr leichter gemacht, die Kontakte für die Studie zu knüpfen. Selbst würde sie dort aber nicht arbeiten wollen, sagt sie. "Mich würde das alles zu sehr mitnehmen."

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