Barbie über Einsamkeit und Selbstzweifel: "Sexfotos wären vielleicht hilfreich"

Barbie wird 50 Jahre alt - und leidet noch immer unter dem Preis, den sie für ihren Ruhm bezahlen musste. Das geht aus dem berührenden Email-Verkehr mit ihrem Ex-Liebhaber Ken hervor ...

"Ach Ken, manchmal träume ich davon, auszusteigen!" Bild: ap

hey puppe!

ich darf dich doch so nennen, oder? ich meine: wer, wenn nicht ich? immerhin waren wir 43 jahre lang ein paar. aneinander gebunden, bis dass der markt uns scheidet. bitte entschuldige meinen sarkasmus, du weißt, ich war nicht immer so. aber ich bin ein wenig sentimentalisch dieser tage, da überall mal wieder über dich berichtet wird, da ich dein gesicht in jeder zeitung sehe, dieses gesicht, in dem ich einst so viel las …

nun wirst du 50 jahre alt, wozu ich dir herzlich gratuliere, und siehst noch immer so aus wie damals mit 7 jahren, als ich dich kennenlernte.

sofort knisterte zwischen uns das cellophan, ein wenig frühreif warst du und einzigartig. heute bist du reif - und eine unter vielen. tut das nicht weh? weißt du noch, wie wir hofften, miteinander "alt und weise" zu werden, wie du das immer nanntest? heute sind wir einfach nur alt. und auseinander. schreib mir, wenn du magst. ich rufe meine e-mails nur selten ab, weil ich dazu zwei stunden runter ins tal muss. außerdem sieht das mein freund nicht so gerne. du weißt ja, wie eifersüchtig he-man sein kann. muskulöse schale, watteweicher kern. eine eigenschaft übrigens, die ich an dir immer vermisste …

liebe grüße, dein ken

Mein lieber Freund,

wie hatte ich gehofft, von Dir zu hören. Wenigstens heute, wenigstens an meinem Geburtstag. Und nun kam eben Deine Mail und ließ mich in Tränen zurück. Wie zart Du geschrieben hast. Ach, Du warst mir sprachlich immer überlegen. Meine Hand zittert, so sehr hat mich Deine elektronische Nachricht durcheinandergebracht.

Ich habe mir noch einen Scotch eingeschenkt, um etwas ruhiger zu werden. Nun starre ich in die leere Flasche hinein. Am Geburtstag ist man doch wieder auf das zurückgeworfen, was wirklich zählt. Ich habe meine Kontoauszüge sortiert, bin durch den Park und die vier Stockwerke meiner Villa gestreift, habe meine 3.282 Paar Schuhe geordnet und bin ausgeritten - und dennoch fühle ich mich leer. Im Kopf wie im Herzen. Du musst nicht denken, dass ich einsam bin. Ich habe schon auch viele liebe Post und Anrufe erhalten. Und die Presse stürzt sich auf mich. 50 Jahre, das glauben ja die wenigsten. Ich habe mich gut gehalten, schreiben sie. Die sehen ja nur das Äußere. Eine von vielen sei ich, schriebst Du. Das tat weh. Ich will es schnell vergessen. Nicht wahrhaben, wie Du nun denkst über mich. Ich schenkte Dir meine Unschuld, nun wirfst Du mir meine Reife vor.

Auch von den Feministinnen bekomme ich jetzt wieder Prügel. Sie benutzen meinen Geburtstag, um mich kleinzukriegen. Ich weiß nicht, was die immer haben. ICH hatte immer einen Job, ICH habe mich nie für den Playboy ausgezogen, ICH hatte meine Beine immer schön beieinander, ICH hatte immer anständig was an. Ja, ich kann keine Kinder bekommen, aber … Nein! Ich muss aufhören, verzeih. Es ist mir ein Trost, Dich und hoffentlich auch den kleinen Friedrich Wilhelm wohlauf zu wissen.

In innigster Verbundenheit, für immer

Barbie

liebe barbie,

nein, ich wollte dich nicht kränken, entschuldige meinen schroffen ton. ich bin hier oben auf dem berg ein bisschen von der welt abgeschnitten, auch von deiner welt. deine welt, das sind die schaufenster, die roten teppiche, die klebrigen kinderhände. mir blieb da immer das nachsehen. ich verstehe nicht, was dieses feministinnenpack gegen dich hat! ich habe immer nur die zweite geige gespielt, war ein pures anhängsel. selbst als ich neulich meine erinnerungen an unsere gemeinsame zeit versilbern wollte, hat sich dafür kein schwein interessiert.

friedrich wilhelm ist übrigens aus dem alter raus, in dem es ihn noch verletzt hat, dass seine eigene adoptivmutter ihn verleugnet. er versteht jetzt, dass das berufliche gründe hatte.

ps: in letzter zeit gab es da ein paar unregelmäßigkeiten mit den gebühren für sein internat in st. moritz, die du überweist, ist das inzwischen geklärt?

Ach Ken,

ist schon gut. Danke, dass Du mich gegen die Feministinnen in Schutz nimmst. Das tut wohl.

Aber es verletzt mich zugleich auch, dieser stumme Vorwurf, der da mitschwingt. Mein Gott, Du hattest es doch gut neben mir! Du hattest Geld, Klamotten, einen Privatfriseur und den Personal Trainer, den ich Dir von Madonna besorgt hatte.

Und ehrlich gesagt hat mich Dein feingeistiges Getue damals schon angekotzt. Jaja, der große Schriftsteller. Wann habe ich Dich jemals auch nur eine Zeilen schreiben sehen - außer dieses beschissen-verlogene "Es ist nicht, was Du denkst" damals, 2003 kurz vor Skippers Tod, als ich Dich mit ihr im Poolhaus erwischt habe. Mit meiner eigenen Schwester! Hab ich mir dafür diese großen Brüste besorgt? Kannst Du Dir eigentlich vorstellen, wie sich dieses Gewicht im Alter anfühlt? Wie es sich anfühlt, wenn Dein Leib zu klein ist für all die Organe, die da reinsollten? Wie es sich lebt mit einer Niere, wenn die Kopfhaut brennt und schuppt vom ewigen Färben? Ken, Liebster, es tut mir leid. Ich habe etwas Scotch und ein paar Tabletten gegen die Schmerzen genommen, die mich manchmal etwas aus der Fassung bringen.

Vielleicht war es auch die Erinnerung an Friedrich Wilhelm. Du weißt, ich habe ihn immer geliebt.

Ich werde das mit dem Geld regeln, es läuft nicht so gut bei mir mit den Geschäften.

Einen Skandal könnte ich da als letztes gebrauchen, hörst Du!

Besorgt: Barbie

barbie!

eingeschnappt? ich fand dich ja immer besonders süß, wenn du deine hysterischen fünf minuten hattest - oder waren es jahre? und warum willst du mir nicht glauben, dass das damals alles von skipper ausgegangen ist? was das luder hinter deinem rücken über dich erzählt hat! egal. trotzdem finde ich es schon ein wenig seltsam, dass du meine literarischen ambitionen so runtermachst. kann mich nicht erinnern, dich jemals mit einem buch in der hand gesehen zu haben. das mit dem scotch und den tabletten geht schon okay. he-man ist auch ständig auf prozac und xanax - vor allem, seit wir feststellen mussten, dass es bei uns reinregnet. das dach von castle grayskull muss neu gedeckt werden, und das kostet. könntest du uns da nicht aushelfen? dann wäre ich auch nicht gezwungen, fotos weiterzugeben, die "sachverhalte aus dem innersten kernbereich unserer privaten lebensführung zum gegenstand haben", wie das die staatsanwaltschaft immer so schön ausdrückt.

love, k.

So, Du erpresst mich also.

Wenn ich nicht gerade eine Flasche Scotch geleert hätte, könnte mich das jetzt vielleicht erschrecken. Aber eigentlich ist es fast wohltuend. Endlich zeigt mir mal jemand sein wahres Gesicht.

Und im Grunde genommen bin ich doch schon längst ruiniert. Diese Bratz-Biester von der Konkurrenz verkaufen sich wie verrückt, bei mir ist der Umsatz um zwanzig Prozent eingebrochen. Vielleicht wären ein paar Sexfotos da ganz hilfreich. Aber eigentlich wurde es bei uns ja immer ruhiger, je tiefer es ging. Tote Hose sozusagen.

Schlimmer kann es ohnehin nicht mehr kommen, seit ich damals fotografiert wurde, wie ich unbedacht meinen Arm hob und mir der Boulevard vorwarf, ich hätte den Hitlergruß gezeigt. Dabei hatte ich von jeher FreundInnen auch anderer Ethnien.

Krise, überall Krise. Lange her die Zeiten, in denen der gute Andy bei meinem Anblick "I want to be plastic" ausrief. Ich weiß nicht, wie ich mich auf diese Krisenzeiten einstimmen soll.

Schon Mitte der Neunziger habe ich aufgehört, gar so übertrieben breit zu grinsen, und ich kann mich bei den Kindern einfach nicht noch mehr anbiedern. ICH HASSE SIE. Wie sie mir die Haare schneiden, unförmige Stofffetzen an meinen Körper hängen, mir dauernd die Beine knicken und die Unterhose ausziehen! Ach Ken, manchmal träume ich davon, auszusteigen. So wie wir es uns damals, 68, immer vorgestellt haben. Eine Hütte am Meer, "willst Du mit mir gehen?" …

In Wind und Schatten Dein. Barbie

geliebte barbie,

ja! ach, lass mich wieder dein sein, und seis auch nur für einen verregneten nachmittag! alte zeiten aufleben lassen: nie werde ich vergessen, wie sich deine langen haare gleich feuchten schlangen auf deiner haut ringelten, als wärst du eine medusa von mattel, wie die brandung immer und immer wieder anrollte wie vor 10.000 jahren und in 10.000 jahren noch, als unsere leichten herzen leise im gleichen takt den augenblick abzählten, der uns gegeben war. seitdem weiß ich: du bist nicht aus plastik, du bist eine plastik! ich war gerne dein pygmalion und würde es wieder sein wollen. über dir ist so viel unrat ausgekübelt worden … und niemand kennt dein großes herz, deine weiche seite und diese stelle im nacken, an der du so kitzelig bist.

ps: he-man fände das auch okay und würde so lange auf friedrich wilhelm aufpassen. könntest du mir die fahrtkosten erstatten? und wo wollen wir uns treffen?

Geliebter,

wenn der Sturm des Schicksals uns umtost, dann bleibt es uns nur, zu hauchen: Ja. Ich werde auf Dich warten. 10 Uhr, Mattel-Stand, Spielwarenmesse Nürnberg.

Dort, wo wir uns kennenlernten.

PS: NO PRESS PLEASE

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