Aufregung über bisexuelle WM-Torhüterin: Sie ist bi. Na und?

Nadine Angerer, Deutschlands WM-Torhüterin, hat sich als bisexuell geoutet. Nun ist die Aufregung groß. Warum eigentlich?

Geht entspannt mit ihrer Bisexualität um: National-Keeperin Nadine Angerer. Bild: imago/Revierfoto

BERLIN taz | Was für ein Aufreger: Nadine Angerer liebt Männer und Frauen. Sie hat sich in einem Interview mit dem Zeit-Magazin als bisexuell geoutet. "Ich persönlich bin da offen, weil ich der Meinung bin, dass es nette Männer und nette Frauen gibt", erzählte die WM-Keeperin dort ganz entspannt. Außerdem finde sie "eine Festlegung generell total albern".

Jetzt zerreißen die Medien sie, und im Netz wird die deutsche WM-Torhüterin als Heldin gefeiert wegen ihres Mutes, und sie wird infrage gestellt: Na, was soll das denn für ein Frauenfußball sein? Jedenfalls ist es ein großes Thema. Dabei dachte man doch, es ist heute längst komplett egal, ob jemand homo, hetero, bi, transgender oder sonst was ist.

Wir haben einen schwulen Außenminister, einen schwulen Bürgermeister, lesbische Senatorinnen. In Sachsen-Anhalt gab es mal einen transsexuellen Bürgermeister, im Fernsehen treten jeden Tag homosexuelle Moderatorinnen und Moderatoren auf. In der Musik ist es schlichtweg "normal" und in der Kunst gehört es fast zum guten Ton, "anders" zu sein. Was soll also die ganze Hysterie?

Offensichtlich ist es 2010 immer noch fragwürdig, nicht eindeutig hetero zu sein, solange man Fußball spielt. Anders als in anderen Sportarten.

Die Leichtathletik hatte bereits vor Jahren ihre "Skandale". 2007 erklärte Yvonne Buschbaum öffentlich, ein Mann zu sein. Die erfolgreiche Stabhochspringerin beendete ihre Sportkarriere, ließ sich operieren, nennt sich jetzt Balian und wandert zurzeit mit seinem Buch "Blaue Augen bleiben blau. Mein Leben" durch sämtliche Talk-Shows. Dort erzählt er, dass er mit einer Morgenlatte aufwacht.

Oder Nicole Schnaß. Bis 2007 war die Triathletin ein Mann, seit 2009 startet sie offiziell als Frau. Seitdem wird sie oft gefragt, ob sie im Sport Unterschiede erkenne zwischen Frauen und Männern. Durchaus, sagt sie dann: Sportlerinnen seien fairer als Sportler. Darüber regt sich niemand auf. Sie sagt auch, dass sie als Frau sportlich schlechter geworden ist. Auch das interessiert keinen mehr.

Und nun ist Nadine Angerer also bi. Na, sowas. Dabei ist schon lange bekannt, dass viele Fußballerinnen lesbisch sind. Einige Spielerinnen von Turbine Potsdam, eine der erfolgreichsten Mannschaften im europäischen Frauenfußball, sollen sogar Lebensgefährtinnen sein. Seit Angerers Selbstouting ist die Seite im Netz testdich.de überaus gut besucht.

Bei den Männern sieht das anders aus. Männerfußball scheint eines der letzten Sport-Sex-Tabus zu sein. In der Bundesliga gibt es keinen geouteten Spieler. Obwohl einige von ihnen in der Homo-Szene einschlägig bekannt sein sollen. Und mit Corny Littmann ist im Frühjahr der einzige schwule Präsident eines Fußballvereins zurückgetreten. Die Aufgabe seines Amtes beim FC St. Pauli hatte aber nichts mit seiner Homosexualität zu tun.

In einem Interview hatte Littmann 2006 gesagt, dass er sich nicht geoutet hätte, wenn er Spieler gewesen wäre: "Jeder will wissen, wie schwul ich mich verhalte." Er sagte aber auch, dass die Schwulenfeindlichkeit im Fußball in "zehn Jahren fällt". Da müssen wir noch sechs Jahre warten.

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