Der Traum von Existenzgründer: Von wegen Krise!

Sie haben weniger Geld, weniger Zeit und hunderttausende Euro Schulden. "Glücklich sind wir trotzdem", sagen die zwei jungen Restaurantbetreiber.

Von der Krisenstimmung im Frankfurter Bankenviertel bekommen Wichelmann und Partner nichts mit. Bild: ap

"Wer nichts wird, wird Wirt" war gestern. Fabian Probst und Florian Wichelmann wollen hoch hinaus. Auch wenn es noch weit weg sei, finden beide die Vorstellung schön, irgendwann Filialen in London, Paris oder New York zu eröffnen. Den Anfang haben sie gemacht: Seit dem 13. Juni dieses Jahres sind Probst und Wichelmann, beide 28, ihre eigenen Chefs. Mit der Eröffnung des "Deli Lama Restaurant" haben sich der Finanzwirt und der Politologe einen langjährigen Traum erfüllt. Einen Traum, für den sie jeweils einen sechsstelligen Eurobetrag investiert haben. Einen Traum, für den sie seit Anfang April jeden Tag von 7 bis 21 Uhr arbeiten. Einen etwas ungewöhnlichen Traum.

Das "Deli Lama" liegt im Foodcourt-Keller der Schicki-Micki-Einkaufspassage Quartier 205 in der Berliner Friedrichstraße. An einem Buffet werden verschiedene Gemüse- und Salatsorten angeboten. Daneben liegt eine Auswahl an Fisch- und Fleischhäppchen. An der Kasse wählt der Gast zwischen Kartoffeln, Nudeln oder Reis als Beilage. Nachdem man die Zubereitung auf der heißen Platte dem Personal überlässt, hat man bei der Auswahl der Sauce erneut die Wahl. Die beiden Jungunternehmer nennen ihr Konzept "smart food" und werben mit dem Slogan "Sie sind der Koch".

"Wir sehen uns weniger als Gastronomen, sondern mehr als Unternehmer", sagt Probst. So wird die tägliche Lagebesprechung auch nicht in der Küche des Deli Lama oder im Büro, sondern - ganz jung und kreativ - in einem netten kleinen Kaffee in Berlin-Kreuzberg abgehalten. Statt einer Schürze trägt Wichelmann Hemd und Sakko, statt einem Kochhut hat Probst eine Schiebermütze auf dem Kopf. "Wir wollten kein nettes, kleines Familienrestaurant aufmachen, sondern eines, das als Kette funktioniert", erklärt Wichelmann.

Kennen gelernt haben sich Wichelmann und Probst vor sechs Jahren in einem Debattierclub. Aus der Freundschaft wuchs schon damals die Idee, sich gemeinsam selbständig zu machen. Heute machen sie etwas völlig anderes als die meisten ihrer ehemaligen Kommilitonen. Zum Restaurantbetreiben gehören Planung, Buchhaltung und Personalmanagement, aber viele Stunden am Tag verbringen auch die Chefs beim Gemüseschnippeln in der Küche oder im Bratendunst. "Ich mag diesen Kontrast", sagt Probst. "Ich stehe auf dieser anderthalb Quadratmeter großen Fläche hinter dem Grill und möchte sie gegen kein vollverglastes Büro tauschen."

Probst kommt aus einer Unternehmerfamilie und hatte immer schon Spaß daran, Verkaufsideen umzusetzen. "Mit acht habe ich an Karneval gebrauchtes Konfetti wieder eingesammelt, in Tüten gepackt und als Second-Hand-Konfetti verkauft", sagt er. Sein gleichaltriger Geschäftspartner hat einen etwas anderen Hintergrund. Wichelmann ist Mitglied bei SPD und IG Metall. Während des Politikstudiums war er studentische Hilfskraft bei einem Bundestagsabgeordneten. "Früher wollte ich selbst in die Politik gehen", sagt er.

Seiner Interessen als Unternehmer wegen müsste er eigentlich zur FDP wechseln, meint Wichelmann. "Aber ich glaube nicht, dass man seine politische Gesinnung über Nacht ändern kann", sagt er. Auch in 40 Jahren werde er noch SPD wählen. Nur beim Thema Mindestlohn stimme er nicht mehr mit den Sozialdemokraten überein. "Wenn man statt einem Fixgehalt zum Beispiel 7 Euro die Stunde und einen zusätzlichen Leistungsbonus zahlt, haben die Mitarbeiter am Ende dasselbe raus und ich ein besseres Arbeitsergebnis", sagt er. "Diese Freiheit sollten Arbeitgeber haben."

"Unternehmertum sollte nicht immer als böse und kapitalistisch dargestellt werden", sagt Probst. So schafften Unternehmer schließlich Arbeitsplätze. "Je weniger Abgaben, desto besser", sagt Probst. "Jeder Euro, der übrig ist, geht in den Laden und beschäftigt neue Leute." Im Deli Lama sind es elf. Drei Festangestellte, die rund 1.500 Euro verdienen, und acht Mini-Jobber, die 7,50 Euro die Stunde bekommen. Mehr Geld bleibt beiden Chefs trotz ihrer 90-Stunden-Woche auch nicht übrig. "Es ging uns nicht darum, kurzfristig Geld zu machen", sagt Wichelmann. "Irgendwann kommt das Jahr, in dem wir ernten."

Das Unangenehmste am Chef-Sein, so Wichelmann, sei es, Leuten zu kündigen, wenn das Zusammenarbeiten nicht funktioniert. "Manchmal muss man Leute gehen lassen, obwohl man sich privat versteht - das ist ein Scheißgefühl." Insgesamt sei es ein Schock gewesen, zu merken, dass alles kapitalistischer läuft, als man denkt. "Wenn es ums Geld geht, gibt es nichts Softes, da muss man knallhart sein."

Darüber hinaus haben die Existenzgründer gelernt, dass warme Tage schlecht fürs Geschäft sind, weil die Leute dann lieber draußen in der Sonne sitzen, und dass der September ein besonders schwieriger Monat ist, weil alle ihr Geld im Urlaub gelassen haben. Seit es auch bei ihnen im Spätsommer so schlecht lief, dass sie nicht wussten, ob sie das Restaurant halten können, sehen sie eine drohende Pleite aber gelassener. "Dann sind wir eben ein paar Jahre in der Privatinsolvenz - danach geht es weiter", sagt Wichelmann.

Von Pleite kann zunächst aber keine Rede sein. Ganz im Gegenteil. Im kommenden Jahr wollen Probst und Wichelmann eine zweite Filiale eröffnen. Trotzdem, so ist sich Probst sicher, wird 2010 "regelmäßiger und geplanter." Die Eröffnung stellt er sich so vor wie die Geburt des zweiten Kindes. "Man weiß in etwa, was auf einen zukommt." Und das Langzeitziel? "Die Million auf dem Konto ist es nicht", sagt Probst. "Aber mit 55 wollen wir sagen können, dass wir ein reiches Leben hatten und den Luxus, immer wieder etwas Neues machen zu können." Vielleicht, fügt Wichelmann hinzu, hätten sie irgendwann Lust, einen Schuhladen aufzumachen: Deli Lama Smart Shoes.

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