E-Book-Markt: Berliner Txtr statt Buch

Die Macher der Firma Txtr aus Berlin-Prenzlauer Berg glauben, dass die Zukunft des Gedruckten online liegt. Mit ihrem E-Book machen sie Branchengrößen wie Sony Konkurrenz.

So liest es sich mit dem Txtr - gestochen scharf. Bild: ap

BERLIN taz | Im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg entsteht die Zukunft des Lesens. Davon sind zumindest Joscha Bach und Ulrik Deichsel überzeugt, beides Macher der ein gutes Jahr alten Firma Txtr. Bach leitet die Entwicklung der Online-Strategie, Deichsel ist für das Business Development, sprich: die Anbahnung neuer Geschäfte, zuständig.

Vier weitere Gründer lassen ihr Wissen aus diversen anderen Bereichen einfließen, sie haben vorher bei Online-Firmen, Hardware-Entwicklern und in Universitäten gearbeitet. Insgesamt 20 Mitarbeiter werkeln in luftigen Räumen in der Greifswalder Straße, ein Zimmer mit Spielekonsole und großem LCD-Fernseher darf Start-up-typisch natürlich nicht fehlen.

Aktuelles Hauptprodukt der Firma ist der so genannte Txtr Reader, ein Gerät, das ganz auf das Anzeigen elektronischer Bücher spezialisiert ist. Statt einem hell erleuchteten Bildschirm, wie man ihn von PC oder Handy kennt, besitzt dieses E-Book eine papierartige Oberfläche, die die Lektüre ähnlich angenehm machen soll wie bei einem herkömmlichen Druckwerk.

Die ankommenden Inhalte sind dagegen rein digital: Per Mobilfunknetz oder WLAN werden sie zur Darstellung herangefunkt, mehrere Tausend Bücher passen auf das kompakte Gerät, das knapp 260 Gramm wiegt.

Bis zum aktuellen Punkt, der Demonstrierbarkeit ihres Prototypen vor der Presse, hat Txtr eine lange Entwicklungsstrecke hinter sich. Tatsächlich hat den Berlinern anfangs kaum jemand abgenommen, dass sie sich wirklich mit den Großen im Markt für elektronische Bücher anlegen würden - der Unterhaltungselektronikkonzern Sony und der E-Commerce-Riese Amazon preschen dort gerade vor.

Zwar ist der Txtr Reader tatsächlich noch nicht im Handel - im Herbst 2009 soll es soweit sein - es gibt ihn aber durchaus. Zwei in Deutschland gebaute Vorläufermodelle in Schwarz und Weiß haben Deichsel und Bach mitgebracht. Ganz perfekt funktionieren die zwar noch nicht, doch das grundlegende Konzept und der wirklich gute Bildschirm sind sofort erkennbar. Die Geräte erinnern in ihrer minimalistischen Optik an Produkte der Kultmarke Apple.

Der Reader hat keine Druckknöpfe, sondern insgesamt drei berührungsempfindliche Felder: ein Steuerkreuz und zwei Kreise. Mit dem Steuerkreuz wird selektiert und geblättert, mit den Kreisen ausgewählt und ein Menü angesteuert. "Die Gestaltung ist extra so gewählt, damit sich der Leser auf die Inhalte konzentrieren kann", sagt Bach, der früher über künstliche Intelligenz geforscht hat und einen Doktortitel in Kognitionswissenschaften besitzt.

Die Texte erscheinen auf einer sechs Zoll großen Fläche (zum Vergleich: ein iPhone hat 3,5 Zoll), die man auf Wunsch auch drehen kann. Ein Sensor im Gerät erkennt, wie der Leser es hält, ist aber auch schlau genug, um zu erkennen, dass man sich gerade in Liegeposition beim Schmökern auf dem Bett befindet. Die Schrift ist gestochen scharf. Txtr nutzt ein so genannte E-Ink-Display. Die am MIT entstandene Technik besteht aus klitzekleinen Kügelchen in Schwarz und Weiß, die in einer Flüssigkeit schwimmen und durch elektrische Ladungen beeinflusst werden. Es erinnert mit seinem hellen Grau an amerikanische Paperbacks.

Die E-Ink-Technik wird auch von Sony und von Amazon verwendet, doch die Berliner haben sich intensiver damit beschäftigt. So wartet man bei Sonys Gerät beispielsweise geschlagene zwei Sekunden, bis eine Seite umgeblättert beziehungsweise neu aufgebaut wurde. Bei Txtr geht es so zackig, dass sogar kleine Animationen möglich werden. Auf dem Gerät läuft außerdem ein freies Linux-Betriebssystem, das Hacker beliebig erweitern und verändern können - einige Teammitglieder stammen aus dem Umfeld der Hackervereinigung Chaos Computer Club und sind deshalb sehr um Offenheit bemüht.

Was das Gerät kosten wird, weiß man bei Txtr noch nicht - das hänge auch von der aktuellen Marktsituation ab. Produziert werden wird der Reader wie nahezu jedes andere Elektronikprodukt in Fabriken in Asien, vermutlich in China. Das Design der Hardware von außen wie innen bleibt aber in Berlin.

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