Tolkien Trust verklagt Hollywood-Studio: Hobbit-Erben wollen 150 Millionen

Es geht um die Verteilung des Gewinns der "Herr der Ringe"-Trilogie. Die Rede ist von Betrug. Am Ende könnte die Verfilmung von "Der kleine Hobbit" scheitern.

Bereit zur Schlacht um die Anteile. Bild: ap/promo

BERLIN taz Wenn ein Film sechs Milliarden Dollar Umsatz einspielt, sollte man meinen, dass genug Geld da ist, um alle Beteiligten zufrieden zu stellen. Nicht so beim "Herrn der Ringe". Der Tolkien Trust, eine Stiftung der Tolkien-Erben, reichte am Montag in Los Angeles eine Klage ein gegen das Filmstudio New Line Cinema, eine Tochter von Time Warner. Im Fall "Christopher Reuel Tolkien v. New Line Cinema Corp., BC385294" verlangt der Tolkien Trust 150 Millionen Dollar Gewinnbeteiligung. Dazu eine Vertragsstrafe, die in der Erklärung der Tolkienerben nicht näher beziffert wurde - vermutlich weil sie drastisch ist.

Außerdem wollen die Erben vor Gericht das Recht erwirken, New Line Cinema die Erlaubnis zu entziehen, weitere Tolkienromane zu verfilmen. Das wäre für das Hollywoodstudio besonders schmerzhaft, da man sich erst im Dezember mit dem "Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson auf eine Verfilmung der Vorgeschichte "Der kleine Hobbit" geeinigt hatte. New Line Cinema plant einen Zweiteiler in Coproduktion mit MGM, den Jackson produzieren soll. 2010 soll der erst Teil in die Kinos kommen.

"Die Treuhänder Tolkiens reichen nicht leichtfertig eine Klage ein", erklärte Anwalt Steven Maier am Montag in einer Pressemitteilung, "und wir haben erfolglos versucht, den Konflikt außergerichtlich zu regeln". New Line habe "nicht einen Penny" seines vertraglichen Anteils der Bruttoeinnahmen von 7,5 Prozent an den Tolkien Trust gezahlt. Lediglich ein Vorschuss von 62.500 Dollar sei geflossen.

Die Erben beklagen amerikanischen Medienberichten zufolge auch Verschleierung und Betrug: So habe New Line Cinema nur ein Fünftel der DVD-Erlöse angegeben, Dokumente zerstört, an andere Rechteteilhaber ausgezahlte Gewinnanteile als Kosten in ihrer Anteilsrechnung verbucht, und schließlich keinen Einblick in die Erlöse aus Teil 2 und 3 gewährt. Nach Schätzungen der Kläger kommen etwa die Hälfte der Einnahmen von der Kinokasse, der Rest von DVDs, TV-Rechten und Merchandising. New Line Cinema verweigerte gegenüber den Nachrichtenagenturen jeden Kommentar mit dem Hinweis, man kommentiere keine laufenden Verfahren.

Auf den ersten Blick sind, wie im "Herr der Ringe" selbst, Böse und Gut klar verteilt: Hier das Hollywoodstudio, das derzeit von Time Warner umstrukturiert wird und unter hohem Renditedruck steht. Und das nun bereits seinen dritten größeren Rechtsstreit um die Einnahmen aus der Filmtrilogie ausfechten muss. Dort die Stiftung, die in den vergangenen Jahren Millionenbeträge für wohltätige Zwecke in alle Welt gespendet hat. Und die die Rechte des Mannes verwaltet, der das ganze Projekt erst möglich machte: Buchautor J.R.R. Tolkien, der Schöpfer einer ganzen Parallelwelt namens "Mittelerde".

Das Problem ist nur: Die Ansprüche des Tolkien Trusts beruhen auf einem Vertrag, der 1969 abgeschlossen wurde, dessen Vertragsparteien nicht mehr existieren - und dessen Entstehen Tolkiens damaliger Lektor Rayner Unwin in seinen Memoiren von 1999 so beschreibt: Es sei eine "Verhandlung von fast zwei Jahren" gewesen, "die schließlich in einem 50-seitigen Vertrag mündete, dessen Vertracktheiten und Unklarheiten Verleger und Nachlassverwalter seither verfolgen".

Mit den Jahren nahm dieser Filmrechtevertrag ähnlich gewundene Wege wie Saurons Ring der Macht in Tolkiens Geschichte: Ausgehandelt wurde er ursprünglich zwischen United Artists und Tolkiens damaligen britischen Verleger Allen & Unwin. Aus Letzterem ging durch diverse Übernahmen HarperCollins hervor, der heute zusammen mit dem Tolkien Trust die Klage führt. Die Filmrechte wiederum gingen über an den Produzenten Saul Zaentz, der 1978 eine animierte Version von den beiden ersten Teilen der Trilogie herstellte. Eine Fortsetzung scheiterte damals am mangelnden Erfolg.

Produzent Zaentz gab die Rechte für eine neue Version weiter an Miramax, die sie wiederum für eine Gewinnbeteiligung New Line Cinema überließ. Zaentz hatte bereits 2004 bei New Line Cinema einen Anteil von 20 Millionen Dollar eingefordert - die Klage endete ein Jahr später in einem Vergleich. Auch Peter Jackson, der Regisseur der aktuellen Filmtrilogie aus den Jahren 2001 bis 2003, hatte mit seiner Produktionsfirma einen Streit um Einnahmen mit New Line - und erzielte erst im Dezember eine Einigung.

Die Verteilung von Gut und Böse wird durch einen weiteren Umstand relativiert: Steckt hinter New Line Cinema schon die zweitgrößte Macht der Medienwelt, so sind auch die Kläger nicht von schlechten Eltern. Denn HarperCollins ist eine Tochter von News Corporation - dem von Rupert Murdoch geführten Medienkonzern Nummer 1. Am Ende ringen hier also nicht Wohltäter mit Medienunternehmen, sondern gleich die beiden größten Medienkonzerne der Welt miteinander. Passt irgendwie zum "Herrn der Ringe" und seiner Völkerschlacht um Mittelerde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.