Nicole Kidman und Hugh Jackman in "Australia": Jeder Bogen überspannt

Ein Western auf dem fünften Kontinent: Baz Luhrmanns "Australia" bietet postmodernes Überwältigungskino, das nicht an Maßlosigkeit, sondern an seinem Paternalismus scheitert.

Spröde Noblesse trifft Herz-am-rechten-Fleck. Bild: twentieth century fox

Der Western hat sich im Lauf der Filmgeschichte immer wieder als modernisierungsresistentes Genre erwiesen. Sein festes Repertoire an Archetypen und Motiven steht für eine Beständigkeit und einen Wertekonservatismus, vor denen selbst technische Neuerungen haltgemacht haben. Das große Kontinuum der Westernerzählung kennt keine Krise der Bilder, allenfalls die ihrer Helden.

Wenn Baz Luhrmann nun in "Australia", seinem ersten Film seit sieben Jahren, eine ganze Rinderherde in einer panischen Stampede auf eine Felsschlucht zurasen lässt, zeigt er damit indirekt auch die Grenzen dieser Mythologie im aktuellen Ereigniskino auf. Luhrmann bringt in dieser Szene zwei Prinzipien zusammen, die nicht nur unter Puristen lange als unvereinbar galten: den Viehtreck als eines der zentralen Motive des klassischen Westerns und die Technik des computer generated imagineering. Der natürliche "Spezialeffekt" des Westerngenres, die Landschaft selbst, ist nicht (mehr) ausreichend.

Die Logik hinter diesem Paradigmenwechsel entspricht genau der Idee von Luhrmanns Kino, das seit jeher in aufdringlich ironisierten Überhöhungen schwelgt. Luhrmann produziert in seinen Filmen permanent Ungleichzeitigkeiten: ob er nun Shakespeare für die Tarantino-/MTV-Generation interpretierte ("Romeo + Julia") oder in "Moulin Rouge" einen Cancan zu Nirvanas "Smells like Teen Spirit" aufführen ließ. Insofern ist die Rinder-Stampede, komplett am Computer entstanden, der konsequent nächste Schritt. Wie wenig überzeugend diese Actionsequenz in "Australia" jedoch ausfällt, mag auch Beleg dafür sein, dass eine Frischzellenkur das Letzte ist, was der Western gerade benötigt.

Dass das Mythenrepertoire des Western dennoch immer wieder als historische Folie für universalere Geschichten herhalten muss, ist im Falle von "Australia" vielleicht die größte Crux. Luhrmann ist hierfür in seine Heimat zurückgekehrt, ein Unterfangen, das sich die Fox stattliche 130 Millionen Dollar hat kosten lassen.

"Australia" ist Luhrmanns Hommage an seinen Geburtsort. Im Jahr 1939 landet Lady Ashley (Nicole Kidman) in Australien, um sich persönlich von der Untreue ihres Mannes zu überzeugen. Vor Ort muss sie jedoch erfahren, dass ihr Ehemann ermordet wurde und seine Ranch Faraway Downs kurz vor der Übernahme durch den örtlichen Viehbaron (Bryan Brown) steht. Ihre letzte Chance besteht darin, mit einem zusammengewürfelten Haufen Freiwilliger, darunter dem Abenteurer Drover (Hugh Jackman), 1.500 Rinder durch das unwirtliche Hinterland in die Hafenstadt Darwin zu treiben und dort an die Engländer zu verkaufen. Das Empire befindet sich im Krieg - der Bedarf an Fleisch ist groß.

Luhrmann überspannt den Bogen in jeder Hinsicht. In "Australia" hat er die Ausläufer des (nach amerikanischem Geschichtsverständnis) historischen Western weit in die Neuzeit verlegt. Das Jahr 1939 markiert zwei geschichtliche Wendepunkte von zugegeben recht unterschiedlicher Bedeutung: einerseits den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, der im Verlauf des Pazifikkriegs auch zur Bombardierung der australischen Hafenstadt Darwin durch die Japaner führte, sowie den Höhepunkt des klassischen Hollywood-Studiosystems, das in jenem Jahr mit "Vom Winde verweht" und "Der Zauberer von Oz" zwei der erfolgreichsten Filme aller Zeiten hervorbrachte. Dass Luhrmann diese Begebenheiten inhaltlich und formal nahezu gleichwertig behandelt, verrät einiges über die Spielregeln seines Kinos.

Das dritte zentrale Handlungselement wird mit dem Aborigine-Jungen Nullah, einem "Mischlingskind" (Brandon Walters), eingeführt. Noch bis 1973 sammelte die australische Regierung Aborigine-Kinder in Umerziehungslagern, um sie zu "zivilisieren". Der Junge übernimmt in "Australia" die Erzählerrolle aus der Perspektve dieser "Gestohlenen Generation". Gleichzeitig begleitet "Der Zauberer von Oz" Nullahs rites de passage zum "Zaubermann" seines Volkes.

Doch zum ersten Mal hat Luhrmann seinem Zitatwerk nichts Eigenes hinzuzufügen. "Australia" bewegt sich zielsicher entlang der Wegmarken des epischen Hollywood-Melodrams auf einen Showdown zu, der in seinem Pathos an Michael Bays "Pearl Harbour" erinnert. (Womit Luhrmann in 165 Minuten auch formal die Entwicklung vom klassischen Hollywood-Kino zum Actionkino Bruckheimscher Prägung nachvollzieht.) Nicole Kidman und Hugh Jackman bedienen diese Traumfabrikfantasie nahezu perfekt: Sie ist ein zierliches Porzellanpüppchen von spröder Noblesse; er ein makellos gebauter Cowboy mit dem Herz am rechten Fleck. Sie sehen einfach zu gut aus, als dass man nicht vom ersten Moment an wissen würde, wie ihre Geschichte ausgeht.

Wenn Luhrmann in Interviews betont, dass "Australia" eine mythische Version seines Landes schildert, hat er damit ein Hauptproblem des Films bereits umrissen. Denn wie aufrichtig sich "Australia" auch in den Dienst der Aussöhnung zwischen Kolonialisten und indigenen Bewohnern zu stellen versucht: Luhrmanns verkitschte Faszination für den Mystizismus der Aborigine-Kultur wird von denselben paternalistischen Rassismen gespeist, denen sein Film entgegenzuwirken vorgibt. Bei Luhrmann bekommt das Ganze zudem eine unverhohlen nationalistische Note: Wenn der Aborigine-Schamane der Britin am Ende sein Land offeriert, tönt im Hintergrund die Commonwealth-Hymne "Nimrod" aus Edward Elgars "Enigma Variationen". Die Naivität dieser Versöhnungsgeste ist frappierend, liegt jedoch in der Logik der Erzählweise.

"Australia". Regie: Baz Luhrmann. Mit Nicole Kidman, Hugh Jackman. Australien/USA 2008. 165 Min.

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