Indiana Jones ist ausgebrannt: Nichts geht mehr

Was manchem Deutschen sein Stadtschloss-Projekt, ist Spielberg sein neuer "Indiana Jones": Der schwierige Versuch, die einmal erreichte Klasse der ersten Teile zu rekonstruieren.

Harrison Ford (links) gibt noch mal den Indianer-Jones. Bild: universal

In den Achtzigerjahren konnte einem Indiana Jones überall begegnen, auch in Hauptseminaren über Ästhetiktheorien. "Anything goes" schmetterte seine Gespielin im zweiten Teil dem Publikum entgegen, in einer damals, 1984, liebevoll gestalteten Musical-Retroszene - tatsächlich waren es die "Indiana Jones"-Filme, die diesen Schlachtruf der postmodernen Ästhetik im Kino in die Tat umsetzten.

Alles geht! Alles ist möglich! Egal, wie collagiert das Ganze auch wirkt - es muss eben nur auf der Leinwand funktionieren. Steven Spielberg verband neueste Tricktechnik mit hanebüchenen mythischen Rahmenhandlungen und einem Helden, der aus der Mottenkiste des Actionkinos zu kommen schien. Die Bundeslade, Menschenopferkulte, der Gral? Abgenudelte Comic-Settings. Eine Peitsche als Waffe? In der Realität experimentierten die USA gerade mit Hightech-Fantasien im Weltraum. Aber es funktionierte. Bunte Achterbahnfahrten voller Effekte, Tempo und Witz, das waren diese Filme. Es waren die "Stop making sense"-Zeiten. Wer wollte, konnte auch ein Erbe der Hippies herauslesen: Trips ohne Bewusstseinserweiterung waren die Filme auch. Und Hauptsache, das Timing stimmte.

Bei der nun mit viel Werberummel in die Kinos gebrachten Fortsetzung stimmt schon mal der Titel nicht. "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" - das klingt ungelenk. Auch sonst weist der vierte Teil allzu oft darauf hin, was im Kino dann eben doch nicht geht. So spielt der Film in den Fünfzigerjahren - eigentlich folgerichtig, seit der Nazizeit in Teil drei sind eben 20 Jahre vergangen -, da darf eine Atombombenexplosion nicht fehlen. Dass Indiana Jones sie überlebt, kann der Film aber nicht beglaubigen - wie sollte das auch gehen? Außerdem versucht einem das Drehbuch ausgerechnet an übersinnliche Kräfte glaubende Sowjets als Böse zu verkaufen; auch so eine allzu ausgedachte Sache. Und Indiana Jones wird einem nun einerseits als Kommunistenfresser vorgestellt. Andererseits wird er aber auch als Opfer des McCarthy-FBI und von dessen Kommunistenjagd gezeichnet.

Dass in diesem Film eine ganze sowjetische Kompanie im Kernland der USA unerkannt operieren kann (bevor die ganze Gesellschaft in Südamerika weiterkämpft) - geschenkt! Dass man als Sidekick für die jugendliche Zielgruppe einen jungen Marlon-Brando-Verschnitt auf einer Harley Davidson in die Handlung einbaut - die Marktgesetze gebieten es wohl. Aber Indy, ein beinharter kalter Krieger und ein Liberaler zugleich? Außerdem immer noch ein zynischer Abenteurer, aber jetzt - wie sich herausstellt - auch noch liebender Vater und treu sorgender Ehemann? Das wirkt kompromisslerisch: für jede Zielgruppe was dabei. Und das ist etwas, was wirklich nicht geht. Man möchte als Zuschauer ja viel glauben, aber sich für dumm verkaufen lassen, das möchte man nicht.

Überhaupt wirkt der Film über weite Strecken unentspannt. Wirklich Spaß bringt er nur, sobald man den gigantischen Etat des Films auf der Leinwand förmlich verbrennen sieht, bei irrwitzigen Verfolgungsjagden im Dschungel und bei aberwitzigen Filmkulissen, die sich im Showdown von Maya-Pyramiden in das Raumschiff von Außerirdischen verwandeln - war ja klar, dass Regisseur Steven Spielberg, Produzent George Lucas, Hauptdarsteller Harrison Ford und all die anderen in die Jahre gekommenen Jungs des einst erneuerten Hollywoodkinos es hier mit einer Materialschlacht versuchen würden.

Was vielleicht auch von vornherein klar war: dass sie dabei scheitern würden, die Lässigkeit der ersten Teile noch einmal herzustellen. Aber überraschend ist schon, woran das letztlich liegt. Es ist nicht Harrison Fords Alter! Es sind vor allem die Details, die nicht stimmen. Cate Blanchett als oberböse Sowjetrussin ist im Grunde eine gute Idee - aber sie mit einem albernen Degen auszustatten hat etwas Lächerliches. Albern wirkt auch dieser Kristallschädel, den die Filmhandlung mit sich herumschleppt. Die Schauspieler mögen sich noch so sehr anstrengen, sich von seinen übersinnlichen Kräften beeindrucken zu lassen; dem Zuschauer gelingt das keinen Augenblick.

Was manchem Deutschen sein Stadtschloss-Projekt, ist Spielberg also nun dieser "Indiana Jones": der fehlgeschlagene Versuch, einen erreichten ästhetischen Stand bewahrend zu rekonstruieren. Anything goes? Klar, weiterhin. Nur funktionieren muss es schon.

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Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).

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