US-Komödie feiert den Politikstil der 80er: Patriotismus und lose Sitten

Die Politsatire "Der Krieg des Charlie Wilson" zeigt, wie ein texanischer Demokrat die Mudschaheddin aufrüstete - und so die letzte Schlacht des Kalten Kriegs gewann.

Die Frau im Spiegel ist Julia Roberts als rechte Lobbyistin Joanne Herring in "Der Krieg des Charlie Wilson". Bild: Francois Duhamel/ 2007 Universal Studios

Es scheint länger her, als es in Wahrheit ist: Vor den Nachrichtenbildern von sowjetischen Truppen, die aus Afghanistan abziehen, prosten sich US-Amerikaner zu. Mit diesen Szenen bringt Mike Nichols gleich zu Anfang seiner Politsatire "Der Krieg des Charlie Wilson" die guten alten Zeiten des Kalten Kriegs in Erinnerung. Die Mudschaheddin waren die Helden der Stunde, und von den Taliban war noch nicht die Rede. Unwillkürlich erwartet man, dass der Film von diesen glorreichen Zeiten in die bittere Gegenwart schwenkt, aber weit gefehlt: Es geht noch weiter zurück, bis in jene ferne Epoche um das Jahr 1980 herum, als die Welt noch nicht mal so genau wusste, wo Kabul eigentlich liegt, geschweige denn, was Mudschaheddin sind.

Damals also sitzt Titelgestalt Charlie Wilson, gespielt von Tom Hanks, im Whirlpool, umgeben von nackten Damen, in der Hand einen Drink. Dann fällt sein Blick auf einen Fernsehschirm, wo ein mit Turban bekleideter Dan Rather aus dem fernen Land berichtet, in das soeben die Sowjets einmarschiert sind. Gleich am nächsten Tag, diesen Eindruck erweckt zumindest der Film, geht der Kongressabgeordnete Wilson in sein Büro, checkt die Tickermeldungen und erhöht den Etat für verdeckte Waffenhilfe nach Afghanistan auf 5 Millionen Dollar. So macht Charlie Wilson diesen Krieg zu dem seinen. Ein paar Hinterzimmergespräche und Drinks später sind es schon 50 Millionen. Und nach weiteren Treffen in dunklen Bars in Israel und mit finsteren Herrschern in Pakistan bringt er es am Ende auf gut 1 Milliarde Dollar.

Im Prinzip erzählt der Film eine wahre Geschichte. Als Quelle gibt er George Criles Wilson-Biografie an, aus der die Welt zum ersten Mal erfahren konnte, dass nicht etwa der republikanische Präsident Reagan die "letzte heiße Schlacht des Kalten Kriegs" gewann, sondern ein demokratischer Abgeordneter aus Texas, bekennender Whiskytrinker und Schürzenjäger. In Wahrheit ist es dieser scheinbare Gegensatz von Patriotismus und losen Sitten, für den sich Regisseur Mike Nichols und seinen Drehbuchautor Aaron Sorkin vor allem interessieren. Ihr Film setzt sich weniger mit den fatalen Folgen des Afghanistankriegs auseinander, als er vielmehr einen Politikstil feiert, wie es ihn heute, in Zeiten der allgegenwärtigen Political Correctness, nicht mehr gibt.

Tom Hanks spielt diesen Wilson als Ideal jenes US-Amerikaners, den das westliche Nachkriegseuropa einst anhimmelte: einen Mann mit viel Witz und lockeren Umgangsformen, der die alteuropäischen Benimmtraditionen steif und undemokratisch erscheinen ließ. Wegen seiner besonderen Toleranz und Großzügigkeit sah man über eine Engstirnigkeit gerne hinweg: seinen sturen Antikommunismus.

Das Seltsame an "Der Krieg des Charlie Wilson" ist, dass in dieser Komödie fast ausschließlich positive Helden auftreten. Abgesehen von den russischen Piloten natürlich, die der Film mit viel Häme vom Himmel holt. Da gibt es die schöne, rechte Lobbyistin Joanne Herring (Julia Roberts), die auf ihre Weise - im Bett mit Wilson - zeigt, dass sie eine liberale Seite hat. Und es gibt den hässlichen CIA-Agenten Gust Avrakotos, den Philip Seymour Hoffman so sympathisch wie nie geben darf. "Sie sind nicht gerade James Bond", scherzt Wilson bei ihrer ersten Begegnung. "Und Sie kein Thomas Jefferson", schnauzt Gust zurück. Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, wie könnte es anders sein. Die Lichtgestalt schlechthin aber ist natürlich Wilson selbst: ein Abgeordneter, der seine Mitarbeiterinnen hemmungslos nach dem Aussehen aussucht, ganz nach der Devise: "Wie man tippt, kann man ihnen beibringen, wie sie sich Titten wachsen lassen, nicht." So satirisch, wie das aufs Erste klingt, ist es im Übrigen gar nicht gemeint. Denn als eigentliches Hauptanliegen des Films entpuppt sich ganz im Ernst: den amerikanischen Liberalismus - nicht zu verwechseln mit unseren "Liberalen" - ins rechte Licht zu rücken.

Als das Wesen dieser wunderbaren Tradition betrachtet Drehbuchautor Aaron Sorkin, wie er schon in der Serie "West Wing" gezeigt hat, die Fähigkeit zu schmutzigen kleinen Kompromissen, die von Witze reißenden, lebenslustigen Schlaubergern ausgeheckt werden. Die Würze des Films liegt denn auch weniger in der Handlung als in Dialogzeilen wie diesen: "Warum sagt der Kongress das eine und tut etwas anderes?" - "Aus Tradition, hauptsächlich." Wobei Wilsons Antwort als Scherz daherkommt und doch tiefstes Vertrauen in das Funktionieren der US-amerikanischen Demokratie ausdrückt.

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