Filmfestival Manila: Tarantinos Gespür für Schund

Quentin Tarantino, diesjähriger Ehrengast des Filmfestivals von Manila bringt die eigenen philippinischen Großregisseure in Verlegenheit.

Die phillipinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo gratuliert Bild: ap

Armer Eddie Romero. Da sitzt er nun vor ein paar hundert Leuten beim Filmfestival von Manila und lächelt säuerlich. Eddie Romero ist einer der bekanntesten Filmregisseure der Philippinen. Er wurde schon zu Lebzeiten zum "National Artist" erklärt - wegen seiner nationalistischen Großproduktionen, die die philippinische Geschichte unter Mitwirkung der beliebtesten philippinischen Stars auf die Leinwand zaubern. Neben dem Japaner Seijun Suzuki ist er mit seinen 93 Jahren der dienstälteste Filmregisseur Asiens. Gestern hat er hier seinen neuen, komplett digital gedrehten Film "Faces of Love" vorgestellt. Und nun das!

Vor einem Publikum von jungen Cineasten muss er sich Jugendsünden vorhalten lassen, von denen er dachte, sie seien längst vergessen. Filme mit Titeln wie "Beast of the Dead", "Blood Devils", "Horrors of Blood Island", "Island of the Living Horror", "Women in Chains". Und das alles von einem ungeschlachten Amerikaner, der gestern Abend zum ersten Mal in die Philippinen gekommen ist.

Der Name des Amerikaners, der wie ein wandelndes Lexikon des philippinischen Trashfilms mit Namen, Daten, und Lieblingsszenen um sich wirft, ist Quentin Tarantino. Er ist dieses Jahr Ehrengast des Filmfestivals von Manila, Hauptstadt der Philippinen, und hat sich gestern einen Preis für sein Lebenswerk abgeholt. Angetan mit einer Adidas-Trainingshose und einem Barong - dem traditionellen Herrenhemd der Philippinen, das die Festivalleitung ihm am Vortag hat maßschneidern lassen - lässt er als selbsternannter Diskussionsleiter des heutigen Nachmittags nicht locker. Waren Romeros Horrorfilme nicht eigentlich Zeichen eines postkolonialen Aufbegehrens? Waren die Monster in seinen Filmen, die halb Mensch, halb Tier sind, nicht eigentlich Metaphern?

Wie um alles in der Welt soll man sich da einem Kommentar entziehen? Wahrscheinlich am schlausten, wie Eddie Romero es tut und schlicht sagt: "Diesen Film haben wir in einer Woche gedreht. Details weiß ich nicht mehr." Dann ist wieder Tarantino dran, der sich viel besser an Romeros Schundfilme erinnern kann als dieser selbst. Hat Tarantino etwa gerade gesagt, er würde an einem Buch über philippinische B-Filme arbeiten? Oh nein!!!!

Ein reiches Thema für ein Buch hätte er da auf jeden Fall. In den 60er- und 70er-Jahren waren die Philippinen eine verlängerte Werkbank amerikanischer B-Film-Studios. Die Philippinen waren billig, boten exotische Drehorte und hatten eine riesige Filmindustrie - in den 60er-Jahren nach Hollywood und Bollywood die drittgrößte der Welt. Gut ausgebildete Mitarbeiter waren leicht zu finden. Und so kam es, dass Eddie Romero, Gerry De Leon und andere renommierte Regisseure der Philippinen gegen angemessene Dollarhonorare im Auftrag des amerikanischen B-Film-Moguls Roger Corman in dieser Zeit zum Teil im Wochenrhythmus Exploitation-Movies drehten, die diesen Namen wirklich verdienten: Frauen in Ketten! Frauen im Frauengefängnis! Folter und Unterdrückung in einer Bananenrepublik!

Filme, die in den 70er-Jahren in einem namenlosen tropischen Land spielen, schnell gemacht wirken und in den frühen Morgenstunden auf Kabelsendern laufen, sind in der Regel in den Philippinen entstanden. Wenn sich in ihnen Kriminelle als Nonnen verkleiden und ihre Maschinengewehre unter ihrer Tracht verstecken, ist jeder Zweifel ausgeräumt. Sex, Gewalt und andere menschliche Niederungen für das amerikanische Schundfilm-Grand-Guignol wurden von philippinischen Großregisseuren in Szene gesetzt. Angeblich leiteten die Inhaber amerikanischer Kinos die Wünsche ihrer Besucher an die Verleiher der Filme weiter. Über die Produzenten erfuhren die philippinischen Filmkünstler dann, was in den USA goutiert wurde, bevor sie in ihrem nächsten Film eine weitere Expedition auf eine einsame Insel schickten, wo sie umgehend von Kopfjägern durch den Dschungel gehetzt wurde - interaktives Kino sozusagen. Der Höhepunkt der amerikanisch-philippinischen Filmkoproduktionen waren 1977 die Dreharbeiten zu "Apocalypse Now" des ehemaligen Corman-Regisseurs Francis Ford Coppola.

Vielleicht muss Tarantino, der mit seinem letzten Filmprojekt "Grindhouse" weltweit eine Bauchlandung erlebt hat, wirklich in die entlegensten Winkel der Kinowelt - sprich: die Philippinen - reisen, um dieses Opus vor dem totalen finanziellen Fiasko zu retten. Doch wie er da auf der Bühne steht, mit den Armen fuchtelt und sich vor lauter Begeisterung dauernd verspricht, wirkt sein Enthusiasmus für philippinische B-Filme einfach echt. Und als er dann noch erzählt, welche Szenen in "Kill Bill" aus welchem philippinischen B-Film abgekupfert sind, glaubt man ihm, dass er diese Filme einfach liebt. Anders als Eddie Romero, der sich irgendwann leise von einer Assistentin aus dem Saal führen lässt.

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