Internetriesen auf Einkaufstour: AOL schnappt sich "Mini-MySpace"

Die Konzentration im Internet-Sektor geht weiter. Der Online-Dienst AOL hat angekündigt, den drittgrößten US-"Social Networking"-Anbieter Bebo zu übernehmen.

Nachdem AOL mit seinem eigenen Social Networking-Versuchen gescheitert ist, ändert der Online-Dienst seine Strategie. Bild: ap

Google darf sich den weltweit agierenden Werbedienstleister Doubleclick dank EU-Genehmigung einverleiben, das Riesenportal Yahoo steht weiterhin auf dem Einkaufszettel des Softwaregiganten Microsoft: Die Konsolidierung im globalen Web-Geschäft hält trotz der US-Kreditkrise an. Der jüngste Deal betrifft zwei Unternehmen, die zwar nicht ganz vorne mitspielen, aber immerhin in die Top 5 ihrer jeweiligen Kategorie gehören: Der Online-Dienst AOL, eine Tochter des Medienkonzerns Time Warner, will das derzeit noch unabhängige Freundesnetzwerk Bebo übernehmen - für insgesamt 850 Millionen Dollar in bar.

Der "Social Networking"-Anbieter mit Firmensitzen in San Francisco, Austin und London ist in den USA auf Platz 3 der beliebtesten Dienste vertreten und gilt insbesondere in Großbritannien als führend. Über 15 Millionen eindeutige Nutzer schauen dort im Monat laut Zahlen des Marktforschers Comscore vorbei, 40 Millionen Mitglieder hat der seit drei Jahren am Markt agierende Dienst laut eigenen Angaben global.

Wenn man sich über den noch immer anhaltenden Web-Megatrend "Social Networking" unterhält, fallen im internationalen Rahmen vor allem zwei Namen: MySpace, Tochter des Murdoch-Medienimperiums News Corporation, sowie Facebook, das aufgrund eines Investments von Microsoft inzwischen (zumindest auf dem Papier) an die 15 Milliarden Dollar wert ist. Bebo kombiniert Ansätze weiterer Dienste: Es bietet Multimedia-Fähigkeiten wie MySpace und Vernetzungstechnologien, die man von Facebook her kennt.

Die 850 Millionen Dollar Kaufpreis gelten dabei als verhältnismäßig preiswert: So zahlte Microsoft für nur 1,6 Prozent an Facebook 240 Millionen. Aus der Portokasse nimmt AOL das Geld jedoch nicht: Der Online-Dienst kämpfte in den vergangenen Jahren mit Nutzerverlusten, musste Entlassungen vornehmen, verkaufte Niederlassungen und stieß sein Zugangsgeschäft ab. Inzwischen positioniert sich die Time Warner-Tochter vor allem als "Online-Destination", die dank hoher Besucherzahlen vor allem von Werbeverkäufen lebt.

Für Bebo ist der Zusammengang mit AOL vor allem eine Chance, stärker in den USA zu wachsen. Der Online-Dienst kann die Vorzüge des sozialen Netzwerks künftig seinen knapp 80 Millionen Benutzern vorführen, die im Monat auf Seiten des Anbieters vorbeisurfen. "Wir haben jetzt eine richtig gute Chance, dass die Leute uns in Amerika entdecken", meint Bebo-Präsidentin Joanna Shields, die das Unternehmen im Frühjahr 2007 von Google abwarb. Gut verdienen dürften an dem Deal auch die Gründer: Xochi und Michael Birch, das Ehepaar, das das soziale Netzwerk aufbaute, lässt sich von AOL auszahlen, berichtet die "New York Times".

AOLs Versuche, eine eigene Social Networking-Strategie umzusetzen, waren zuvor gescheitert. Pläne, die mit 30 Millionen Nutzern weltweit am stärksten verwendete "Instant Messaging"-Plattform AIM um Community-Funktionen zu erweitern, wurden von den Nutzern nur zögerlich angenommen. Auch Ideen, AOLs Homepage-Dienst mittels "Buddy-Listen" zu vernetzen, setzten sich nicht durch. Mit dem Kauf von Bebo könnte dessen Infrastruktur mit bestehenden Angeboten des Online-Dienstes nun kombiniert werden, um MySpace und Facebook endlich etwas entgegensetzen zu können. Die Marke soll allerdings erhalten bleiben.

Bebos Innovationen lagen in jüngster Zeit vor allem im Bereich Multimedia und wird von Insidern deshalb gerne als "Mini-MySpace" tituliert. So nennt sich das Netzwerk selbst betont "Social Media Network" und hat eigene Web-Video-Serien aufgelegt. Mit "KateModern" läuft auf der Seite der Nachfolger der bekannten "LonelyGirl15"-Videos, die auf YouTube berühmt wurden - laut Angaben des Anbieters werden sie pro Woche über 1,5 Millionen Mal abgerufen.

Ähnlich wie seine Konkurrenten fährt Bebo außerdem seit einiger Zeit eine aggressive Internationalisierungsstrategie. So ist das Angebot nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Deutsch, Französisch und Polnisch nutzbar. Zuletzt hatte Facebook eine deutsche Version gestartet, die mit den hiesigen Marktführern "StudiVZ" und "SchülerVZ" konkurrieren soll.

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