Kontrollzwang vergrault App-Entwickler: Apple schon "wie Microsoft"

In Apples Handy-App-Laden rumort es. Die Firma hat diktatorische Vollmachten – und nutzt sie. Mancher Entwickler vergleichen das Gebaren des Konzerns bereits mit dem von Microsoft.

Laute kleine Tools – von Apple pingelig überwacht. Bild: screenshot iTunes

BERLIN taz | Schon länger gibt es Ärger zwischen Apple und den unabhängigen Entwicklern von iPhone-Apps. Nun ist der Streit eskaliert: Gleich zwei bekannte Entwickler-Firmen kehren dem „App-Store“ den Rücken. Und das, obwohl sie schon einiges Geld in die Entwicklung investiert hatten.

Damit fällt Apple sein diktatorisches Gebaren gegenüber Entwicklern auf die Füße: In der Internet-Szene macht inzwischen das böse „M-Wort“ die Runde: Apple werde als monopolartiger Plattform-Kontrolleur beim iPhone mehr und mehr zu einer Art "Microsoft für das mobile Netz".

Mehr als 100.000 Anwendungen, im IT-Jargon "Apps" genannt, stehen inzwischen in Apples Software-Laden für das iPhone bereit. Sie machen das Smartphone erst so richtig nützlich. Der App-Store ist ein Verkaufsargument in Abgrenzung zu Nokia oder Blackberry und bringt auch direkt Geld ein: Denn von jedem im App-Store umgesetzten Dollar blieben 30 Cent bei Apple.

Kritik an der Art, wie Apple den App-Store regiert, gab es schon von Beginn an: Denn jede einzelne Software muss durch die Kontrolleure – mancher spricht auch von Zensoren. Als Firmenboss Steve Jobs den App-Store im Frühjahr 2008 vorstellte, gab er sich locker: Man werde nur illegale Inhalte, Bandbreitenfresser, Pornografie, böswillige Anwendungen und solche Programme stoppen, die die Privatsphäre der Nutzer bedrohen. Alles andere werde genehmigt. "Ansonsten sind wir mit unseren Entwicklern zu 100 Prozent in Übereinstimmung – wir wollen Tonnen von Anwendungen für das iPhone."

Blöd nur, dass diese angekündigte Liberalität in der Praxis nur selten umgesetzt wird. So quälte Apple etwa Programmierer, die Icons verwendeten, die das iPhone zeigen, verbot eine Buch-Lesesoftware, weil es mit ihr möglich war, das Kamasutra herunterzuladen (wohlgemerkt möglich, nicht zwingend) und unterband Wörterbücher wegen Begriffen wie "Fuck".

Politische Inhalte, die angeblich diffamierend, weil karikierend waren, werden von den iPhone-Wächtern ebenfalls gerne zurückgewiesen. Da es nicht möglich ist, eine Anwendung vor der Fertigstellung einzureichen, blieben einige Entwickler auf vielen Tausend Dollar Produktionskosten sitzen.

Anfangs dachte die iPhone-Entwicklerszene noch, dass dies alles bloß Ausreißer seien. Zuletzt reagierte sogar Apple-Marketingboss Phil Schiller auf Blogpostings mit persönlichen Mails und versprach, der App Store-Prozess werde optimiert. Geholfen hat das allerdings wenig: In den letzten Wochen kündigten deshalb gleich mehrere bekannte iPhone-Entwickler an, der Plattform den Rücken zu kehren.

Der wohl bekannteste ist Joe Hewitt, seines Zeichens treibende Kraft hinter der enorm populären Facebook-iPhone-Anwendung und selbst bei dem sozialen Netzwerk als Handy-Guru beschäftigt. "Meine Entscheidung, die Entwicklung abzugeben, hat allein mit Apples Politik zu tun", sagte er gegenüber dem Blog TechCrunch.

Er verstehe, dass Apple die Plattform kontrollieren wolle, es sei ja schließlich die seine. Trotzdem habe er „sehr viel Angst davor, dass damit ein Präzedenzfall für andere Software-Plattformen gesetzt wird und solche Gatekeeper künftig das Leben jedes Entwicklers heimsuchen".

Etwas später dann meldete sich die bekannte Mac-Software-Firma Rogue Amoeba, die mehrere Monate in der so genannten "App-Hölle" schmorte: 14 Wochen lang weigerte sich Apple ohne genaue Ansage, eine Anwendung des Herstellers zuzulassen. Betroffen von diesen Spielchen sind nicht nur kleinere Firmen: Auch Googles Sprachdienst Google Voice wurde von Apple noch immer nicht abschließend begutachtet.

Hewitt schlägt nun vor, den gesamten Prüfprozess zu beenden und jede Anwendung sofort zuzulassen, dies sei der einzige gangbare Weg. Tatsächlich machen das alle anderen fortschrittlichen Handy-Plattformen so -­ egal ob Palm mit seinem WebOS oder Google mit seinem Android. Einige ehemalige iPhone-Entwickler haben sich diesen Plattformen inzwischen schweren Herzens zugewandt, auch wenn sie sie nach eigenen Angaben "wesentlich weniger cool" finden.

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