Wettbewerb von Videoplattform Youtube: Das erste virtuelle Orchester

Per Video können sich Musiker für das ein Sinfonieorchester der Webplattform Youtube bewerben. Die Beiträge sollen zu als gemeinsame Sinfonie veröffentlicht werden.

"Hallo YouTube": Tan Dun ist YouTubes Grüßonkel und Komponist der "Sinfonie". Bild: screenshot youtube.de

BERLIN taz "Die Teilnahme ist ganz einfach", erklärt ein junger Trompeter: "Lade die Notenblätter herunter, nimm dein Instrument und übe." Ein Lockenkopf mit E-Violine ergänzt: "Wenn du deinen Part richtig gut kannst, nimm dich beim Spielen auf und sende das Video an YouTube." Das Filmchen ist flott, jugendlich und multikulti. Auf der Videoplattform YouTube eigentlich keine Überraschung, doch diesmal geht es nicht um die lustigsten Versprecher oder Stolperer, nicht um Hobbysänger oder das so genannte "Happy Slapping", also Filme vom Verprügeln. Es geht um klassische Musik: das YouTube-Sinfonieorchester.

Ziel der Initiatoren – natürlich YouTube, das London Symphony Orchestra und die Berliner Philharmoniker – ist, das erste virtuelle Online-Orchester der Welt zusammenzustellen. Seit Anfang Dezember können sich Hobby- und Profimusiker um einen Platz im ersten Online-Orchester der Welt bewerben. Ihr Können müssen sie im Probespiel vor der Kamera beweisen und ihre Videos hoch laden. In einem zweistufigen Auswahlverfahren entscheiden dann eine Jury von Musikexperten und die YouTube-User, wer den Wettkampf gewinnt.

Gesucht werden 80 Orchestermusiker. Es sei geplant, so YouTube, dass das Orchester am 15. April 2009 in der Carnegie Hall von New York die "YouTube Sinfonie" aufführe. Das Konzert leitet Grammy-Preisträger Michael Tilson Thomas. Der Komponist des Werks ist der chinesische Oscar-Preisträger Tan Dun. Außerdem sei geplant, einzelne Beiträge der Bewerber "in eine gemeinschaftliche Sinfonie zu verwandeln" und zu veröffentlichen.

Laut YouTube-Werbung hat Tan Dun die Sinfonie angeblich "speziell für das Orchester geschrieben". Leider stimmt das nicht. Der Komponist hat sich nicht nur, wie er selbst erklärt, von Ludwig van Beethoven inspirieren lassen. Stattdessen ist seine Sinfonie Eroica fast identisch mit einer Komposition, die er für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2008 in Peking geschrieben hat. Ungeachtet dieser Tatsache von einem eigens komponierten Werk zu sprechen, ist zumindest grenzwertig.

Die Online-Musikanten stört das nicht. Bisher wurden 180 Teilnehmervideos hoch geladen. Zwei Beiträge zeigen Gabriel Heun, einer von nur zwei deutschen Bewerbern: "Ich war im Internet unterwegs und habe mir Videos angeschaut. Nur durch Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen." Seine Motivation? Er wolle nach New York reisen und endlich wieder mehr bratschen: "Das war eine Gelegenheit für mich konsequenter zu üben. Also habe ich mir diese Sinfonie ausgedruckt und geübt." An Weihnachten habe er sich dann selbst aufgenommen.

Um seine Chancen zu erhöhen ist Heun, der Gesangspädagogik in Salzburg studiert, besonders kreativ geworden: "Es war Zufall, dass der Anfang meines Bewerbungsstückes genau in meiner Stimmlage war. Also habe ich geübt Bratsche zu spielen und zu singen." Für Heun möglicherweise ein Vorteil: Die meisten anderen Bewerber verzichten auf derart kreative Einlagen und belassen es beim bloßen Vorspiel.

Heuns Ziel ist es erstmal ins Halbfinale zu kommen. Dafür muss die Jury von der Qualität seiner Darbietung überzeugt sein. Die finale Entscheidung, ob der 24-jährige nach New York reisen darf, obliegt den Usern. Seit dem 2. Dezember 2008 haben rund 8,3 Millionen den Sinfonie-Kanal besucht. Gabriel Heun ist optimistisch: "Bisher rechne ich mir ganz gute Chancen aus. Aber es ist ja noch eine knappe Woche bis Einsendeschluss – da weiß man nicht, was noch kommt."

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