Mobile Netzneutralität: Das gebremste Netz

Anbieter wie T-Mobile oder Vodafone versuchen beim mobilen Internet, Anwendungen einzuschränken oder leiten Datenverkehr ungefragt um. In Amerika könnte nun der Regulierer eingreifen.

Vodafone wird von manchen als "Zensurprovider" bezeichnet. Bild: dpa

Mobiles Internet wird immer beliebter, seitdem die großen Mobilfunkanbieter mit einigermaßen erträglichen Tarifen locken. Allerdings erhalten Nutzer von den Firmen keineswegs stets das "echte" Internet, wie sie es aus dem Festnetz kennen. Stattdessen wird noch immer an einigen Stellen Inhalte technisch verändert, werden Übertragungsraten eingeschränkt oder Dienste verboten.

Beispiel T-Mobile. Wer über dessen Internet-Dienst surft, muss hinnehmen, dass alle Bilder, die der Nutzer im Web zu sehen bekommt, automatisch durch einen so genannten Proxy fließen. Dieser Zwischenspeicher dampft Bilder ein, damit weniger Daten übertragen werden müssen. Die Technik, "Speedmanager" genannt, lässt sich zwar abdrehen, den meisten Nutzern fällt sie aber gar nicht erst auf.

Vodafone, aufgrund einer frühen Zusammenarbeit mit dem Bundesfamilienministerium bei den umstrittenen Internet-Sperren im Netz sowieso schon als "Zensurprovider" verschrien, wurde kürzlich vorgeworfen, in Teilen seines Mobilnetzes den Datenverkehr an fremde DNS-Server (Domain Name Service) umzuleiten. Diese Rechner sind für die enorm wichtige Auflösung von Klartext-Adressen (z.B. www.taz.de) in Internet-Protokoll-Adressen (z.B. 194.29.234.20) zuständig und können genutzt werden, um die Erreichbarkeit unerwünschter Seiten zu verhindern.

Laut einem Bericht von "ZDnet.de" soll Vodafone nun verhindert haben, dass man eine andere statt der Vodafone-eigenen DNS-Infrastruktur einsetzt. Das könnte man beispielsweise wollen, um Maßnahmen, die Nutzer gegen Internet-Sperren treffen könnten, auszuhebeln. Allerdings ist bislang unklar, ob es sich nur um ein technisches Versehen handelte oder Vodafone wirklich derart am Netz schraubt, zumal nicht alle Nutzer die Probleme im Mobilnetz "sehen".

Gemein ist sowohl T-Mobile, Vodafone als auch E-Plus dagegen, dass die Anbieter weder Internet-Telefonie noch Filesharing-Dienste in ihren Netzen erlauben. Diese beliebten Dienste sind entweder ganz verboten (Filesharing) oder nur gegen Aufpreis (Internet-Telefonie) erhältlich. Die Anbieter behalten sich vor, das Verbot mit technischen Maßnahmen durchzudrücken, blockieren etwa bestimmte Internet-Ports, die für das ordnungsgemäße Funktionieren notwendig wären.

Noch am kundenfreundlichsten gibt sich O2 Deutschland, Tochter des spanischen Telekommunikationsriesen Telefonica. Dort ist seit kurzem offiziell erlaubt, ohne Aufpreis Internet-Telefonie zu verwenden - für Beobachter ein durchaus mutiger Schritt, weil die Firma damit aus dem Kanon der Netzfeinde ausbrach. Doch selbst mit der offiziellen Erlaubnis, statt über das teure Mobilnetz etwa kostenlose Sprachdienste wie Skype zu verwenden, hat die Sache einen Haken: Genauso wie bei allen anderen deutschen Mobilfunkern ist auch bei O2 nach maximal fünf Gigabyte Übertragungsvolumen im Monat, was mal eben einer einzigen DVD entspricht, Schluss mit Höchstgeschwindigkeit. Dann wird das Netz auf Kriechgeschwindigkeit heruntergeschaltet, so dass Sprachdienste nicht mehr ordnungsgemäß nutzbar sind und Multimedia-Seiten wie YouTube zur Qual werden.

Vielleicht helfen künftig staatliche Eingriffe: In den USA ist nach Antritt der Obama-Regierung gerade die Debatte um die Festschreibung der so genannten Netzneutralität wieder aufgeflammt - auch im Bezug auf Mobilfunk. Sie zwingt alle Internet-Anbieter dazu, Datenverkehr egal welcher Quelle gleich zu behandeln und keinen Dienst zu blockieren - ein zentrales Erfolgskriterium für die Netzinnovationen der letzten 15 Jahre.

Die zuständige Kommunikationsaufsicht FCC erwägt, amerikanische Mobilfunkbetreiber künftig dazu zu verpflichten, auch im mobilen Netz alle Angebote zuzulassen. Derzeit sorgen beispielsweise Verträge zwischen AT&T und Apple dafür, dass man mit dem iPhone weder über das Mobilnetz Internet-Telefonie nutzen noch bestimmte bandbreitenintensive Multimedia-Dienste verwenden darf. Das könnte der neue FCC-Chef Julius Genachowski, der als deutlich Internet-freundlicher als sein Vorgänger gilt, verbieten lassen.

Doch AT&T und seine Konkurrenten, darunter auch die US-Tochter von T-Mobile, bauen aktuell Lobbydruck auf. Sie argumentieren, ihr Netz würde zusammenbrechen, wären mobil Internet-Dienste genauso uneingeschränkt erlaubt wie im Festnetz. Allerdings sehen Fachleute das eher als Hinweis darauf, dass die Mobilfunkanbieter den Ausbau ihrer Angebote verschlafen haben. Tatsächlich bleibt das Betreiben von Handy-Netzen seit Jahren hochlukrativ, weil es Oligopole gibt.

Während im Festnetz-Internet diverse große wie kleinere Anbieter frei miteinander konkurrieren, haben im Mobilfunkbereich nur jeweils ein, zwei Handvoll Anbieter eine Lizenz. So kommt es beispielsweise, dass mit dem Versand der immer noch höchst beliebten SMS enorme Margen erzielt werden, obwohl sie die Mobilfunkanbieter so gut wie nichts mehr kosten.

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