Protestkultur 2.0: Demonstrieren per Mausklick

Im Online-Netzwerk Campact kann bequem vom Sofa aus protestiert werden. Der Zuspruch ist groß. Die Macher erwarten demnächst den hundertausendsten E-Mail-Protestanten.

Erfolgsrezept: Lieber mit der Maus protestieren als im Regen stehen. Bild: screenshot

Wenn Campact zu einer Kampagne aufruft, werden die Posteingänge deutscher Politiker mit Protestmails nur so überflutet. Das Onlinenetzwerk ermöglicht es, mit nur ein paar Klicks wirkungsvoll zu protestieren: Campact bereitet ein Schreiben vor, die Aktivisten müssen bloß unterzeichnen und auf "absenden" klicken. Im besten Fall landen dann über 99.000 Mails bei den Politikern, denn: Campact erwartet in den nächsten Tagen den hunderttausendsten E-Mail-Demonstranten. Das ist zwar im Vergleich zu den 3,2 Millionen amerikanischen Netzaktivisten von Moveon.org nicht wirklich viel. In Deutschland aber ist Campact im Onlineaktivismus führend. Und es wächst stetig.

Erreichen will man Menschen mit wenig Zeit, die trotzdem Lust auf politisches Engagement haben, sagt Campact-Mitgründer Christoph Bautz. Er warnt vor der naheliegenden "inflationären Tendenz, Appelle zu starten". Deswegen müssen Kampagnen verschiedene Kriterien erfüllen: Nur wenn das Thema in der Öffentlichkeit präsent ist, politische Entscheidungen anstehen und es Chancen auf Veränderung gibt, kommt es für eine Aktion in Frage. Bevor zur Mail-Lawine aufgerufen wird, müssen zudem 1.000 Newsletter-Empfänger ihre Meinung abgeben.

Der Schwerpunkt des 2004 gegründeten Netzwerks liegt auf Ökologiethemen: Gentechnik, Atomenergie, Kohlekraft. Campact arbeitet dabei oft mit anderen Nichtregierungsorganisationen zusammen. "Die geben uns Expertise, wir ihnen öffentliche Wahrnehmung", erklärt Bautz, wobei für Campact aber noch mehr rausspringt: Jede Kooperation bringt auch neue E-Mail-Adressen für den Verteiler.

Dass der Onlineaktivismus die Demo auf der Straße als klassische Form des politischen Protests verdrängen wird, ist unwahrscheinlich. Dieter Rucht, Bewegungsforscher und Soziologie-Professor der FU Berlin, spricht von einer "ergänzenden Funktion" und steht dem Ganzen eher skeptisch gegenüber: "Der Protest selbst von Hunderttausenden beeindruckt wenig, da er billig zu haben ist - ein Mausklick genügt." Ein weiterer Nachteil: Die Protestierenden kommen nicht räumlich zusammen, so sei ein Austausch schwer möglich.

Deshalb ist Campact dazu übergangen, auch Aktionen außerhalb des Netzes zu organisieren. So sind zum Beispiel 13.000 Unterschriften gegen Gentechnik an gelben Luftballons symbolträchtig gen Himmel aufgestiegen. Die E-Mail-Unterschrift, sagt Felix Kolb von Campact, sei oft nur der erste Schritt. Viele Leute haben danach "Lust, mehr zu machen".

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