Werbung im Studentennetzwerk: "Brachialmethoden sind weit verbreitet"

StudiVZ ruderte mit seinen brachialen Werbeformen nach Nutzerprotesten zurück. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, geht das nicht weit genug.

taz.de: Herr Weichert, würden Sie persönlich Ihre Kinder in ein soziales Netzwerk wie StudiVZ oder dessen Jugendvariante SchülerVZ hineinlassen?

Thilo Weichert: Schon faktisch wäre ich wohl nicht in der Lage, meine Kinder von StudiVZ oder SchülerVZ fernzuhalten. Ich würde aber versuchen, ihnen klarzumachen, dass diese sozialen Gemeinschaften hohe Datenschutzrisiken mit sich bringen und ihnen Hinweise geben, wie sie sich schützen sollen.

Kann mir ein Anbieter wie StudiVZ beliebig viel SMS- und E-Mail-Werbung senden, wenn ich dem in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ich womöglich nur überlesen habe, zugestimmt habe?

Können ist technisch kein Thema, das erleben wir ja täglich mit der Spamflut. Erlaubt sind Werbezusendungen aber nur, wenn eine wirksame ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Eine versteckte Passage in allgemeinen Geschäftsbedingungen - AGB - genügt nicht. Es genügt auch nicht, dass man einer neu mitgeteilten AGB nicht widersprochen hat.

StudiVZ ist inzwischen zurückgerudert, will keine SMS- und Instant-Messenger-Werbung mehr verschicken und beteuert, Daten niemals an Dritte zu verkaufen. Sind Sie zufrieden mit den Änderungen.

Nein. Das jetzige "Zurück-auf-Schlossstraße" heißt ja nicht, dass StudiVZ aus Datenschutzsicht in Ordnung wäre, und schon gar nicht, dass die Betreiber aus eigener Überzeugung den Datenschutz der Nutzerinnen und Nutzer beachten. Das Zurückrudern war erkennbar das Ergebnis des Widerstands der Betroffenen. Wünschenswert wäre, wenn sich der Anbieter einem umfassenden Datenschutzaudit durch eine unabhängige Stelle unterwerfen und das - hoffentlich positive - Ergebnis veröffentlicht würde.

Was sagen Sie zu Holzhammermethoden, bei denen Nutzer einfach aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden, wenn sie überarbeiteten Geschäftsbedingungen zur Nutzung neuer Werbeformen nicht zustimmen wollen?

Im Online-Geschäft sind derartige Brachialmethoden leider weit verbreitet. Das Beispiel StudiVZ zeigt aber, dass die Marktmacht der Verbraucher bei den Anbietern ein Umdenken und Umlenken bewirken kann. Rechtlich sind Anbieter an das Telemediengesetz, das Bundesdatenschutzgesetz und das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen gebunden.

Danach besteht zwar in gewissem Maße Vertragsfreiheit; zugleich müssen sich Anbieter an das Erforderlichkeitsprinzip und das Koppelungsverbot halten. Das heißt: die Nutzung des Dienstes darf nicht beliebig mit anderen Erklärungen zwingend gekoppelt werden.

Haben solche Anbieter zu viel Macht? Immerhin überlassen die Nutzer ihnen freiwillig große Datenmengen, um sich etwa Freunden gegenüber zu präsentieren.

Die faktische Macht von populären Online-Anbietern ist gewaltig; das gilt für StudiVZ ebenso wie andere, z.B. das Google-Imperium. Soziale Gruppenzwänge hindern einen ebenso an einer freien Entscheidung wie mangelnde Transparenz: Zumeist haben die Nutzenden nicht die leiseste Ahnung, was da hinter ihrem Rücken mit ihren Daten gemacht wird. Wenn sie es wüssten, würden sie vielleicht die Finger davon lassen.

Werbung lässt sich mit Hilfe der Daten der sozialen Netzwerke sehr feingliedrig schalten. Die Anbieter argumentieren, dass das ein Plus für den Nutzer sei, der so relevante Reklame zu sehen bekommt.

Zielgerichtete Werbung ist nur dann ein Plus für den Betroffenen, wenn er diese auch will. Werbung kann auch als Belästigung oder gar als Zumutung empfunden werden. Und die Grenze zwischen zielgerichteter und manipulierender Werbung ist oft fließend, insbesondere wenn einem nicht bekannt ist, welche Datenverarbeitung und welche Persönlichkeitsprofile hinter der direkten Ansprache stecken.

Man hat manchmal das Gefühl, dass den Leuten egal zu sein scheint, wie viele Informationen Anbieter sozialer Netzwerke über sie sammeln - sie mögen die Vorteile, schnell mit neuen Menschen in Kontakt zu kommen und scheinen "das Problem" Datenschutz nicht zu sehen. Frustriert Sie das?

Nur ein wenig. Der Widerstand gegen die Änderungen bei StudiVZ gibt mir eher Hoffnung, dass die Leute in Sachen Datenschutz aufwachen. Wir müssen alle daran arbeiten, dass die tollen Möglichkeiten des Internet von nicht technisch versierten Normal-Usern so genutzt werden können, dass dabei auch deren Privatsphäre gewahrt bleibt.

In den USA bietet der "Social Networking"-Platzhirsch Facebook eine Werbetechnik an, die mitzeichnet, was man auf anderen Websites wie eBay oder Blockbuster tut, um dies dann in den eigenen "News Feed" zu übertragen. So sehen Freunde, was man kauft. Was halten Sie von solchen neuartigen Reklameformen, die auch in Deutschland Begehrlichkeiten wecken?

Das wäre in Deutschland schlicht unzulässig. Ich fürchte, derartige Angebote gibt es hierzulande auch zu Hauf. Leider sind die personellen Ressourcen der Datenschutzaufsichtsbehörden so katastrophal knapp, dass wir derzeit insofern keinen wirksamen Verbraucherschutz gewährleisten können.

Soziale Netzwerke und Web-Anwendungen wie Suchmaschinen entwickeln sich immer mehr zur lückenlosen Datenspeichern über das Nutzerverhalten. Wird da bald ein ganz neues Datenschutzrecht notwendig? Hätten sich die Gestalter heutiger Regelungen vorstellen können, was da eines Tages zusammenkommen würde?

Das Telemediengesetz und das Bundesdatenschutzgesetz wurden erst jüngst novelliert. Das Problem ist, dass die hierfür verantwortlichen Politiker keine Ahnung von den Gefahren und vor allem von möglichen Lösungen haben. Die Wirtschaft hat kein Interesse, stärker rechtlich gebunden zu werden. Darum geht es uns aber gar nicht: Wir brauchen neue Gesetze und ergänzend technische Angebote, die es ermöglichen, das Internet umfassend zu nutzen, damit Geld zu verdienen und zugleich die Privatsphäre zu schützen.

INTERVIEW: BEN SCHWAN

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