Das Webvideo der Woche: Email von Bob Dylan

Massenmörder suchen dich, Bob Dylan schickt dir Botschaften per Email: Wie virales Marketing funktioniert.

Sieht das etwa nach einem Fake aus? Bild: screenshot dylanmessaging.com

Ein Massenmörder ist in der Gegend von Miami unterwegs, heisst es in dem US-Fernsehberichtschnipsel, der einem per Mail zugeschickt wurde. Der Sender WBFX berichtet, dass das fünfte Opfer des Mörders auf einem Parkhaus gefunden wurde, zeigen ein Überwachungskamera-Video und nennen Alter, Beruf und Geschlecht der potentiellen Opfer des Killers. Diese Eigenschaften treffen genau auf den Zuschauer zu? Es kommt noch besser: Der Sender hat exklusive Bilder vom Tatort. Mit Blut steht dort der Name des nächsten Opfers in dicken Lettern an die Wand geschrieben - und ... Gruselig - er passt genau auf den Empfänger der Mail. Alles wirkt wie eine Warnung, so, als sei genau man selbst als nächstes Opfer anvisiert.

Gerade wenn das Video vorbei ist, kommt die Entwarnung: Haha, es war alles Werbung für die US-Serie Dexter, bei der sich alles um einen Robin Hood-artigen Massenmörder dreht. Und weil man es tatsächlich ein bisschen mit der Angst zu tun bekommen hat, kann man auch selbst ein leicht verändertes Video mit Alter, Beruf und Name versehen an einen Freund weiterschicken - der dann ebenfalls einen individualisierten Nachrichtenbeitrag zugeschickt bekommt. Virales Marketing heisst die Methode, auf die derartige Webfilmchen abziehen: Sie sind nicht eindeutig als Werbung gekennzeichnet - zumindest nicht von Anfang an - und haben eine Idee, die so gut, lustig oder gruselig ist, dass sie sich im Netz per Blog und Mail von alleine verbreitet, weil jeder, der sie gut findet, sie auch weiterschickt.

Neu ist die Idee des viralen Marketings nicht. Aber billig und populär. Funktionieren tut sie jedoch eigentlich nur, wenn etwas geboten wird, das der User so gut findet, dass er es tatsächlich an Freunde weiterverbreitet. Etwa das Gimmick, dass sich die Werber für die Promotion-Homepage der "Greatest Hits"-Platte von Bob Dylan haben einfallen lassen: Dort kann man die berühmten Pappschilder aus Bob Dylan-Video zu "Subterranean Homesick Blues" mit eigenem Text beschriften und an Freunde schicken.

Nicht immer muss virales Marketing außerdem derart interaktiv sein. Auch ein Webvideo von Ronaldinho, der mit goldenen Nikes an den Füßen herumtrickst und den Ball vier mal formvollendet gegen die Latte zimmert, um mit dem Torpfosten Pingpong zu spielen, wurde ebenso berühmt wie umstritten. Ist das echt? fragen sich viele YouTube-Zuschauer bis heute. Die wacklige Handkamera, mit der Ronaldinho gefilmt ist, deutet auf Authenzität hin - und einzig der goldene Koffer, in dem dem Fußballstar die goldenen Schuhe auf dem Platz gebracht werden, deutet darauf hin, dass es sich hier um ein Werbefilmchen für einen Schuhhersteller handeln könnte.

Kritiker fragen natürlich, ob man so etwas gut finden darf. Schließlich sparen die Konzerne, Plattenfirmen und Werber viel Geld, wenn sie sich darauf verlassen, dass sich ihr Film und damit ihr Produkt im Netz verbreitet. Sie instrumentalisieren die Webuserschaft für ihre Zwecke, lassen die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen Werbung und unabhängigen Content verschwimmen. Stimmt alles. Aber warum denn nicht, wenn es gute Unterhaltung ist?

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