Rückendeckung für Filesharer: Internetprovider zensieren nicht mit

Das Urteil gegen die Blockade von "Pirate Bay" wird angefochten. Auch die Musikbranche bewegt sich: Mit einem Vorschlag zur Legalisierung von Musikdownloads.

so beliebt, dass die Provider sich nicht trauen, sie zu blockieren: The Pirate Bay Bild: screenshot

STOCKHOLM taz Die dänischen Internetprovider wollen kein Zensor sein. Sie fechten daher den Gerichtsbeschluss, mit dem vor einer Woche von ihnen verlangt worden war, ihren Kunden den Zugang zur Filesharing-Seite www.piratebay.org zu sperren, an. Darauf einigte sich die Branche am Montag in Kopenhagen bei einem extra zu diesem Thema anberaumten Treffen. Laut Ib Tholstrup, dem Direktor der Branchenorganisation "Telekommunikationsindustrien (TI)" will man eine gerichtliche Grundsatzentscheidung durch eine höhere Instanz haben. Dem formal durch das Urteil betroffenen Internetprovider "Tele 2" sagte die Branche ausserdem wirtschaftliche Unterstützung für diesen Rechtsprozess zu.

Die Provider schlagen damit einen anderen Kurs ein, als beim ersten derartigen dänischen Urteil gegen die russische Musikdownloadseite "Allofmp3". Bei der man eine Sperrung akzeptiert hatte. Hintergrund ist natürlich die Popularität von "Pirate Bay", einer der in Dänemark meistgeklickten Internetseiten. Einzelne Provider, die im Gegensatz zu anderen gezwungen wären, den Zugang zu sperren, müssten mit dem Verlust von Kunden und damit Einnahmeausfällen rechnen. Rechtlich ist darüber hinaus die von "Pirate Bay" zur Anwendung kommende Bit-Torrent-Technik nicht mit dem direkten Download zwischen verschiedenen Rechnern vergleichbar.

Für diese Filesharing-Technik fehlt es ebenso wie zum Thema Sperrung einzelner Internetseiten bislang europaweit an einem Grundsatzurteil. Das jetzige dänische Verfahren könnte damit das Potential haben, in einigen Jahren vor dem EU-Gerichtshof zu enden. Mit durchaus offenem Ausgang und damit auch für die Musik- und Filmindustrie mit erheblichem Risiko verbunden.

Dass Kriminalisierung und Einschüchterungsversuche auf Dauer nichts bringen, erkennt aber offenbar langsam auch die Branche selbst. Zum Thema Filesharing kam am Wochenende von ihr nun der Vorschlag eines Legalisierungsmodells. Es ist angelehnt an die Lizenzierung bei Rundfunksendungen und öffentlichen Aufführungen von Musikstücken. Die Idee: Auch für das neue Medium Internet könnten die Musik-Verwertungsgesellschaften - in Deutschland: GEMA - das Verbindungsglied bilden. Die Internetprovider sollten in ihre Flatrate-Gebühren eine Pauschalvergütung mit einpacken, welche dann an die Verwertungsgesellschaft und von dieser anteilsmässig an die Musikproduzenten weitergeleitet würde. Für die KundInnen dieser Provider wäre der gesamte Musikdownload, gleich welchen Umfang der habe, dann legal.

Ein entsprechender Vorschlag wurde jetzt in Schweden gemeinsam von Stim ("Svenska tonsättares internationelle musikbyrå"), der dortigen GEMA, sowie den Vereinigungen der Komponisten und Musikverleger unterbreitet. Dass die Musikbranche jetzt ausgerechnet in Schweden diesen Versuchsballon startet, dürfte kein Zufall sein. Das Land gilt als Hochburg des Filesharing - mehr als die Hälfte aller 18-30-Jährigen hat sich in Umfragen dazu bekannt - und trotz aufwändiger Versuche ist die Branche bislang dort auch juristisch damit gescheitert, Verurteilungen gegen Upp- wie Downloader von Filmen oder Musikstücken über die Bit-Torrent-Technik zu erwirken.

Ludvig Verner, Vorsitzender der schwedischen Sektion von IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) reagierte umgehend positiv auf den Vorstoss: "Ganz klar wäre eine solche Lösung interessant. Denn dann hätten wir es ja nicht mehr mit illegalem Download zu tun." Seiner Auffassung nach müsste aber bei der Vergütung sichergestellt sein, dass diese sich an der konkreten Zahl der Internetdownloads der einzelnen Musikstücke orientiert.

Patrik Huselius, Jurist der staatlichen Telekomgesellschaft "Telia": "Endlich ein Vorschlag, der etwas anderes beinhaltet, als die Leute zu jagen, zu verurteilen und abzuschrecken." Auch Thomas Ekman vom Internetprovider "Tele 2" findet es "ausgesprochen positiv, dass die Musikbranche endlich mit einem konstruktiven Vorschlag kommt". Will aber kein Modell haben, das zu einer Überwachung der Kunden führt. Christer Kinch reagiert für den Breiband-Provider "ComHem" ähnlich: "Positiv, aber wir wollen für Stim und IFPI nicht Polizei spielen müssen."

Das sieht Stim-Vorsitzender Kenth Muldin nicht als Hindernis: Es müsse nur sichergestellt sein, dass der gesamte Verkehr, der über die angeschlossenen Provider läuft, konkret aber durchaus anonym registriert werde, damit man zu einem gerechten Verteilungsschlüssel kommen könne. Internationale KünstlerInnen zu entlohnen sei kein Problem: Die nationalen Verwertungsgesellschaften würden ja auch schon jetzt Lizenzen für internationale Rechte wahrnehmen. Würden nur alle Seiten einen Willen zur Zusammenarbeit haben, könnten die technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme sicher überwunden werden.

Die Internetprovider müssten nämlich, so hofft jedenfalls Muldin, daran interessiert sein, ihren Kunden eine Flatrate anzubieten, die dann zwar etwas teurer als die "normale" wäre, dafür aber den "Mehrwert" einer Urheberrechtsvergütung biete: "Ein Dienst, der mit der Moral und der Rechtsauffassung des Kunden übereinstimmt." Und viele Eltern könnten dann vermutlich auch ruhiger schlafen, wenn sie sicher sein könnten, dass das, was ihre Kinder runterladen kein möglicher Urheberrechtsverstoss sei. Schliesslich biete das Internet fantastische Möglichkeiten zur Verbreitung von Kultur, meint Muldin: "Und Lösungen für die Zukunft können wir nicht dadurch finden, dass wir uns immer tiefer in Schützengräben eingraben."

Damit trifft er sogar auf volle Übereinstimmung mit den "Internet-Piraten". Ein "riesengrosser Schritt in die richtige Richtung", sagt Christian Engström, stellvertretender Vorsitzender der schwedischen "Piratenpartei": Endlich werde versucht "in neuen Bahnen zu denken".

Bleibt die Frage, was mit dem Download von Filmen und TV-Serien geschehen soll. Und wie hoch ein derartiger "Lizenzzuschlag" sein müsste, um für alle Seiten interessant sein zu können. Eine grundsätzliche Bereitschaft für Filesharing zu zahlen, signalisiert eine aktuelle schwedische Umfrage zum Thema. Dass solcher Download nämlich bislang gratis ist, rangiert danach erst auf Platz 9 einer Top-Ten-Liste, warum man Filesharing schätzt. Als viel wichtiger werden andere Vorteile genannt: Einfache Handhabung, unbegrenzt lagern und vervielfältigen zu können, Musik und TV-Serien zu bekommen, die ansonsten nicht, noch nicht oder nicht in dieser Form zugänglich sind.

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