Download-Suchmaschine "Pirate Bay": Klage gegen fünf Piraten

Am Donnerstag wird in Schweden Anklage gegen die Internetseite "Pirate Bay" erhoben. Große Erfolgsaussichten hat der Prozess nicht - doch die USA sollen darauf gedrängt haben.

Die CD-Verkäufe schwächeln. Schuld von "Pirate Bay". Bild: dpa

STOCKHOLM taz Ist es strafbar, im Internet eine Suchmaschine zu betreiben, die das Finden von urheberrechtlich geschütztem Material erleichtert? Mit dieser Frage wird sich nun die schwedische Justiz beschäftigen müssen. Am Donnerstag wird die Staatsanwaltschaft in Stockholm formal Anklage gegen Peter Sunde und vier andere Verantwortliche der Internetseite Pirate Bay erheben. Dem nach eigener Aussage weltweit grössten Bittorrent-Tracker mit regelmässig über 10 Millionen Usern und ein internationales Symbol für freies Filesharing. Eine Art Download-Google, um sich Musik und Filme aus dem weltweiten Cyberspace herauszusuchen und auf den eigenen Rechner herunterladen zu können.

Kein Byte von urheberrechtlich geschütztem Material selbst war auf den 186 Rechnern und Servern selbst zu finden, welche ein Grossaufgebot von 50 Polizeibeamten Ende Mai 2006 auf einer Razzia gegen die "Piratenbucht" beschlagnahmt hatte. Denn es ist nicht dies, was Pirate Bay bereithält. Wie schwer man sich deshalb tat, überhaupt eine Anklageschrift zusammenzuschustern, zeigte, dass die Staatsanwaltschaft dazu 20 Monate brauchte und bei Gericht mehrfach Fristverlängerung beantragen musste. Ob allein das Bereitstellen einer Internetplattform für den Zugang zu den entsprechenden "Wegweisern" für das Finden von urheberrechtlich geschütztem Material ein Verstoss gegen das Urheberrecht sein soll, wird für die schwedische Justiz nun eine harte Nuss zu knacken sein. Der zuständige Staatsanwalt Håkan Roswall hofft das Gericht davon überzeugen zu können, dass Pirate Bay mehr als ein bloßer Wegweiser ist: "Es ist aktiver Teil eines Prozesses, an dessem Ende das Zugänglichwerden von urheberrechtlich geschütztem Material steht. Juristisch ist so etwas eine typische Mitwirkungshandlung, also Beihilfe."

"Idiotisch", findet diese Konstruktion für Peter Sunde, Sprecher der Pirate Bay-Administratoren: "Es gibt einfach keine juristische Grundlage für diese Anklage." In seinem Blog "Copy me happy" beschuldigt Sunde die schwedische Justiz schwerwiegender Rechtsverstösse und des Versuchs Pirate Bay über unbegründete Kinderpornografie-Anklagen diskreditieren zu wollen.

Henrik Pontén, Jurist des schwedischen Antipiratbyrån, einer Interessenorganisation der Filmbranche, hofft auf eine Verurteilung von Pirate Bay und würde diese als Sieg ansehen. Staatsanwalt Roswall ist durchaus pessimistischer, was die tatsächlichen Erfolgsaussichten seiner Anklage angeht: Selbst eine Verurteilung würde Pirate Bay, das seine Server-Infrastruktur nach der Razzia 2006 weltweit verteilt hat, wohl nicht stoppen können, räumt er ohne Umschweife ein. Aber vielleicht könne ein Urteil einen Einfluss auf die Werbekunden haben, die Pirate Bay finanzierten: "Nur das könnte wohl auf längere Sicht Auswirkungen auf den Betrieb so einer Seite haben."

Dass Schwedens Justiz überhaupt auf solch schwacher juristischer Grundlage und mit eingestandenermassen minimalen faktischen Erfolgsaussichten einen Prozess gegen Pirate Bay führt, geht auf massiven Druck Washingtons und der Film- und Plattenbranche der USA zurück, die bis hin zur Androhung von Handelssanktionen gegen Schweden gereicht haben sollen. Ein Sprecher der US-Botschaft in Stockholm bestätigte kurz nach der Pirate Bay-Razzia entsprechende Kontakte auf politischer Ebene und bezeichnete das Aktivwerden der schwedischen Polizei als Ergebnis des "guten Dialogs" zwischen Washington und Stockholm.

Diese internationale Aufregung hatten sich der Schwede Magnus Eriksson und die anderen Gründer von Pirate Bay nicht träumen lassen, als sie im November 2003 die Seite starteten. Geplant war diese Internet-Plattform eigentlich gar nicht. Einige Monate vorher hatte man mit dem Debattenforum "Piratenbüro" ("Piratbyrån") versucht "eine Gegenstimme für alle zu schaffen, die für den freien Fluss von Informationen und Kultur im Internet sind", sagt Eriksson. Bis dahin hätte die Lobby der Film- und Plattenkonzerne die öffentliche Debatte über Filesharing beherrscht. Der Weg von der Diskussion zur Praxis habe sich dann ganz natürlich über ein entsprechendes Internetforum ergeben. Das nach einem Jahr bereits mehr als eine halbe Million UserInnen hatte. Pirate Bay ist heute mit 31 Sprachversionen im Netz vertreten und hat offenbar einträgliche Werbeeinnahmen, über die man allerdings nicht so gern redet.

"Die Infrastruktur kostet viel Geld", beteuert Pirate Bay-Sprecher Peter Sunde, etwaige Überschüsse hätte man als Lohn an das Personal ausgezahlt. Über die Zukunftsaussichten von Pirate Bay macht er sich trotz einer jetzt drohenden Strafe von bis zu zwei Jahren Haft keine Sorgen. Jede Aktion der Justiz sei kostenlose Werbung: "Nach der Razzia 2006 bekamen wir doppelt so viele User, als wie vorher hatten. Was die andere Seite auch vorhat, wir haben bereits eine Antwort parat. Die sind die Vergangenheit, wir die Zukunft."

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