Bloggerkonferenz Republica: Klassentreffen der Appleträger

In Berlin trifft sich die deutsche Bloggerszene. Warum Bildblogger Niggemeier sich langweilt und der StudiVZ-Geschäftsführer ausgelacht wird - ein Konferenzbericht.

Nett, leider bislang nicht aufregend: die Republica 2008. Bild: screenshot republica.de/08

BERLIN taz Stefan Niggemeier sitzt auf dem Podium und versucht, sich zu streiten. Recht klappen will das nicht. Denn er ist sich mit seinen Diskussionspartnern, Tagesspiegel.de-Chefin Mercedes Bunz und Handelsblatt-Blogger Thomas Knüwer, ziemlich einig. "Blogs versus Journalismus" heisst das Thema, über das sie streiten sollen - doch alle drei finden eben, dass Blogs eine tolle Sache sind und der klassische Journalismus manchmal ganz schön arrogant ist. Vor allem aber haben sie das Thema schon x-mal durchgekaut. Genau das hatte Niggemeier auch bereits vorausgesagt: In seinem Blog befürchtete er schon vor ein paar Tagen, dass diese Diskussion im Rahmen der Berliner Bloggerkonferenz Republica wohl eher lahm werden wird - und seine Leser nach Ideen für eine interessante Diskussion gefragt.

Ein Phänomen, das symptomatisch zu sein scheint für das diesjährige Klassentreffen der deutschen Bloggerszene, der Republica 08. Nachdem auch das letzte deutsche Feuilleton sich über digitale Bohème und Webzwonuller entleert hat und das Bundesverfassungsgericht den Gegnern der Vorratsdatenspeicherung einen ersten Teilerfolg bescherte, scheinen die Blogger kein Konfliktthema zu finden - und ergehen sich vor allem im Kuscheln und gegenseitigem Bauchpinseln. So stromern die Blogger gut gelaunt von Workshop zu Workshop, stets bewaffnet mit kleinen weißen Apple- oder noch kleineren Subnotebooks, tragen lustig bunte Mottoshirts mit Jackett, treffen sich endlich mal außerhalb des Internets und netzwerken, was das Zeug hält.

Zugegeben - nicht jeder darf mitspielen. Der StudiVZ-Geschäftsführer Michael Brehm zum Beispiel hat einen schweren Stand. Er ist eigentlich eingeladen worden, um über die Zukunft sozialer Netzwerke mitzudiskutieren. Die haben allerdings offenbar die Zukunft schon weitgehend hinter sich - zumindest rücken die Podianten nicht mit Visionen raus. Darum sitzt Brehm jetzt mit einer Fönfrisur und einem schrecklichen orangefarbenen Schwiergermuttipullover und redet sich um Kopf und Kragen. Die Datenbank von StudiVZ sei nichts wert, meint er. Die Blogger im Saal stecken ihre Köpfe hinter ihre Laptops und lachen höhnisch. "Jedes Telefonbuch hat bessere Daten als wir", versucht Brehm sich zu verteidigen, sagt, StudiVZ wolle die Leute glücklich machen. Wieder Gelächter. Spätestens seit StudiVZs AGB-Panne ist das Netzwerk hier völlig unten durch. Brehm kann einem wirklich leid tun. Auf eine Leinwand hinter dem Podium erscheinen Twitter-Kommentare der Konferenzteilnehmer. Einer schreibt, dass Brehm aussieht wie der uneheliche Sohn von Stefan Edberg. Lästern hinter dem Rücken - wie in der Schule.

Beklatscht wird hingegen Harvard-Professor Viktor Mayer-Schönberger, der sich darüber ärgert, dass das Internet nichts vergisst und auch peinlichste Daten gegen den Willen des Benutzers endlos reproduziert - und präsentiert seine Idee eines Verfallsdatums für Informationen im Netz. Ein wenig später treffen sich in einem kleinen, etwas muffigen kleinen Nebenraum die Köpfe der "AG Vorratsdatenspeicherung" und hangeln sich vor einem kleinen Publikum an einer etwas drögen Powerpoint-Präsentation entlang - schade, denn eigentlich sollten die Datenschutzaktivisten nach ihrem Teilerfolg vor Gericht für ihr Engagement gefeiert werden.

Das Journalistenblogger-Trio Niggemeier-Bunz-Knüwer schafft es dann übrigens doch, nicht zu langweilen - weil sie sich vom eigentlichen Thema lösten und statt dessen über die Konkurrenz von Online- versus Printmedien diskutierten. Darüber, dass Onlinejournalismus in Deutschland kaum stattfindet, weil die Printzeitungen einfach nur ins Netz gehoben werden und Onlinejournalisten schlichtweg kaum Zeit für journalistische Arbeit bleibt, wie Handelsblatt-Blogger Knüwer kritisiert. Schlechtbezahlt würden sich sich dann schleunigst Richtung Printmedium oder PR orientieren. "Scheiße, der Werbekuchen halbiert sich", flucht Mercedes Bunz und stellt in Frage, ob Tageszeitungen die nächsten zehn bis 15 Jahren überhaupt überleben würden.

Zwei Tage geht die Republica noch weiter - mit Gesprächen über "Beten per Mausklick", Politstrategien und Wissenschaft im Netz. Vielleicht findet sich ja doch noch ein Thema, über das man zünftig streiten kann.

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