"Pirate Bay"-Prozess: Staatsanwalt zweifelt an Schuld

Beim "Pirate Bay"-Prozess beziffert die Film- und Musikbranche ihren angeblichen Schaden. Pikante Aktenvermerke des Staatsanwalts werden bekannt.

Die "Pirate Bay"-Seite funktioniere ähnlich wie Google, argumentieren die Betreiber. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Nach der Sensation vom Dienstag, als die Staatsanwaltschaft Teile ihrer Anklage gegen "Pirate Bay" zurücknahm, drehte sich der Stockholmer Prozess am Mittwoch und Donnerstag um den konkreten Schaden, der mit dem Dienst angerichtet worden sein könnte. Und um die Verantwortung der Angeklagten dafür.

Vertreter der Musik-, Film- und Spielbranche warteten dabei mit unterschiedlichen Berechnungsmodellen auf, die aber alle auf vermuteten Gewinneinbußen durch geringere Verkäufe basierten. Insgesamt sollen sich die auf umgerechnet ca. 12 Millionen Euro belaufen. Diese Berechnungen wurden von den Angeklagen und ihren Anwälten nicht nur in ihrer Höhe bestritten, sondern auch in ihrer Gesamtargumentation: Sie verglichen "Pirate Bay" wiederholt mit einer Suchmaschine wie Google und wiesen darauf hin, dass etwa 80 Prozent der auf thepiratebay.org/ zu findenden Torrents Wegweiser auf nicht urheberrechtlich geschütztes Material seien.

Peter Danowsky, Repräsentant von Ifpi (International Federation of the Phonographic Industry) hob demgegenüber den seiner Meinung nach entscheidenden Unterschied zwischen Google und "Pirate Bay" hervor: Google entferne nach entsprechenden Hinweisen derartige Links zu urheberrechtlich geschütztem Material, während Pirate Bay dies verweigert habe.

Darauf erwiederten die Angeklagten, man habe keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Person, die einen Torrent bei Pirate Bay angelegt habe, das Recht hatte, diese Datei zu verbreiten oder nicht. Und sie verwiesen auf EU-Recht: Laut EU-Richtlinie 2000/31 über "rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft" ist bei einem Dienst, der darin besteht, "von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, der Diensteanbieter nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich". Da „Pirate Bay" aber gerade keine direkten Downloads anbiete, sondern lediglich als Diensteanbieter die Interaktion zwischen Nutzern ermögliche, besteht keine strafrechtliche Verantwortung für die Inhalte.

Pikant ist, dass sich die Verteidigung bei ihrer juristischen Einschätzung in weiten Teilen auf den jetzt als Anklagevertreter auftretenden Staatsanwalt Håkan Roswall stützen kann. In einem mittlerweile öffentlich gewordenem Aktenvermerk weist dieser darauf hin, dass allenfalls eine Anklage gegen einen Nutzer von "Pirate Bay" erfolgversprechend erscheine, dem man den Download einer Kopie mit urheberrechtlich geschütztem Material nachweisen könne.

In einem solchen Prozess könne man gleichzeitig versuchen "Pirate Bay" der Mithilfe an einer solchen konkreten strafbaren Handlung anzuklagen. Ohne eine "Haupttat" halte er nichts von einer Anklage wegen Beihilfe. Und Roswall notierte auch einen weiteren Punkt: "Das Filesharing geschieht ohne Gewinninteresse." Gerade ein solches versuchten die Vertreter der Musik- und Filmbranche bei ihrem Verhör der Angeklagten am Donnerstag aber nachzuweisen.

Mutmassliche "Pirate Bay"-Sympathisanten hatten am Mittwochabend die Webbseite der schwedischen Sektion der Musikbranchenorganisation Ifpi gehackt. In einem Text wurde Staatsanwalt Roswall aufgefordert: "Hör auf zu lügen". Der Angriff auf die Seite wurde als „Kriegserklärung an die Antipiratenindustrie" bezeichnet. Die Seite ging daraufhin vom Netz, worauf ein Überlastungsangriff auf die Hauptseite ifpi.org gestartet wurde, so dass diese bis Donnerstagmittag fast durchweg blockiert war.

Nach einem Appell von Peter Sunde, einem der Angeklagten, der twitterte "wenn ihr uns wirklich helfen wollt, dann stoppt diese Attacken", wurden die Angriffe offenbar wieder eingestellt.

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