Online-Dienst "Omegle": Virtuelles Date mit einem Fremden

Auf der Website "Omegle" eines 18-Jährigen aus den USA kann jeder mit anderen aus aller Welt plaudern. Mehr als 100.000 Besucher machen das täglich.

Es muss nicht immer Englisch sein: Gesprächsbeginn auf omegle.com Bild: Screenshot www.omegle.com

BERLIN taz Es gab eine Zeit im Internet, da chattete fast jeder. Auf Online-Diensten wie AOL oder Compuserve gehörten solche Plauderräume zu den beliebtesten Anwendungen, Menschen unterhielten sich per Texteingabe in Gruppen oder zu zweit über Themen, die sie interessierten. Populär sind Chats auch heute noch, doch wurden sie inzwischen durch ausgefuchstere Dienste wie soziale Netzwerke ersetzt, die bessere Möglichkeiten der Selbstdarstellung bieten. Außerdem hat heute fast jeder einen Breitbandanschluss und kann problemlos per Kamera sogar im Video mit der Menschheit kommunizieren.

"Omegle", ein vor wenigen Wochen gestartetes Web-Angebot ist deshalb so etwas wie eine Rückkehr zu den Wurzeln. Es hat eine ganz einfache Prämisse: "Talk to strangers!" - "Sprich mit Fremden!". Klickt man auf den großen blauen "Starte den Chat"-Knopf, wird man sofort in einen One-on-One-Raum mit einer anderen, völlig fremden Person verfrachtet. Das funktioniert direkt im Web und könnte nicht einfacher zu bedienen sein: Tippen, abschicken, weiterreden.

Geschaffen wurde Omegle laut einem Bericht der US-Lokalzeitung "Brattleboro Reformer" von Leif K-Brooks, einem 18jährigen Schüler aus dem amerikanischen Bundesstaat Vermont. Das Motiv für die Einrichtung des Angebots klingt dabei fast weise: "Normalerweise treffen sich Leute online, weil sie sich für gemeinsame Dinge interessieren. Doch wenn man immer mit Menschen spricht, die so sind wie man selbst, lernt man kaum etwas", sagte K-Brooks dem Blatt.

Der Dienst fand erstaunlich schnell viele Anhänger, seitdem er am 25. März online ging. Laut Gründer K-Brooks freute er sich bereits am ersten Tag über 100 Besucher. "Das hielt ich bereits für einen großen Erfolg." Da ging jedoch noch deutlich mehr: Inzwischen sind zu Spitzenzeiten fast 4000 Menschen auf der Seite, jeden Tag kommen so mehr als 150.000 zusammen. Das Angebot fand Aufmerksamkeit im viel gelesenen US-Klatsch-Weblog "Gawker", der bekannte Netzkünstler Ze Frank schrieb einen Eintrag darüber ("Oh, welch glücklicher Zufall") und auch diverse internationale Internet-Angebote berichteten.

Die "User Experience", sprich: die Nutzererfahrung, kann bei Omegle völlig unterschiedlich sein - ganz, wie man es von einem derart zufälligen Angebot erwarten würde. In den ersten Wochen überfielen zeitweilig Horden von Trollen den Dienst, posteten obszöne Text-Bilder oder äußerten sich über ihre Penisgröße. Wer das ignoriert (ein Klick auf "Disconnect" reicht, um sich mit dem nächsten Fremden verbinden lassen zu können), kann aber trotzdem schnell erstaunlich interessante Konversationen finden.

An einem Testabend sprach der taz.de-Reporter im Selbstversuch mit zwei Briten, mehreren Kanadiern, diversen Brasilianern, Amerikanern und Polen. Das anonyme Format eröffnet die Möglichkeit, durchaus tiefgehende Gespräche aufzunehmen. Viele Nutzer geben sich untereinander sogar Rat bei persönlichen Problemen oder lernen so Sitten und Gebräuche anderer Länder kennen; es kommen Menschen ins Gespräch, die sonst wohl nie miteinander geredet hätten. Wie bei Chats üblich, kann das natürlich auch vollständig in die Hose gehen: Schließlich kann jeder erzählen, was er möchte, und das tun dann wohl auch einige. Emotional instabil sollte man deshalb nicht sein und das Angebot auch keinesfalls zu ernst nehmen. Doch das weiß eigentlich jeder Chatter seit den Urzeiten bei AOL & Co.

Omegle bietet selbst keine Möglichkeit, einen bei dem Dienst gefundenen interessanten Kontakt zu "sichern": Drückt man auf "Disconnect", ist die Verbindung für immer verloren. K-Brooks schreibt in der Selbstbeschreibung denn auch, dass Chats vollständig anonym seien, jeder aber auch persönliche Details nennen dürfe, wenn er das wolle. So werden dann schnell ICQ-Nummern und IM-Namen ausgetauscht. Richtig hässlich kann es sein, wenn Omegle wegen zu hoher Serverlast abraucht, die Verbindung unterbrochen wird und Kontaktdaten noch nicht ausgetauscht werden konnten. K-Brooks hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob er etwa eine E-Mail-Funktion nachreichen möchte, mit der solche "Lost Connections" auf sichere Art wieder eingefangen werden können.

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